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EINLEITUNG 19
Der vorliegende Band erschließt die inhaltliche Breite dialektaler Literatur in acht Ab-
schnitten: Religiöse Themen stehen im ersten Kapitel Glaube und Aberglaube im Zen-
trum: Neben den äußerst breit überlieferten Liedern und Spielen des Weihnachtskrei-
ses belegen Frömmigkeitstexte, aber auch humoristische und satirische Arbeiten zu
Glaubensinhalten oder zu religiösen Institutionen den hohen Stellenwert dieses The-
menfelds für die dialektale Kunst vor 1800. Weltlicher Macht und Herrschaft widmen
sich die folgenden beiden Kapitel: In Krieg und Frieden werden literarische Arbeiten
zu den vielfältigen militärischen Anlässen des 17. und 18. Jahrhunderts untersucht, die
der Propaganda gegen den Feind, der Nachrichtenvermittlung, aber auch der Werbung
von Soldaten dienen konnten; daneben nden sich auch kritische Texte zu Praktiken
der Zwangsrekrutierung oder zum Leben der Soldaten. Dialektliteratur diente auch in
Friedenszeiten der Bestätigung oder Ablehnung von Machtverhältnissen, wie im Ka-
pitel Herrschaft und Untertan gezeigt wird: Geburt, Hochzeit und Tod von gekrönten
Häuptern wie auch patriotische Bekundungen wurden auf diese Weise scheinbar in
der Stimme des Volkes besungen; aber auch subversive Literatur bediente sich des Dia-
lekts und damit der Möglichkeit, Nähe und Authentizität zu suggerieren. Im Fokus der
Kapitel 4 und 5 steht Dialektliteratur in Zusammenhang mit sozialen und regionalen
Differenzierungen. Beim Themenbereich Stadt und Land hat die Darstellung von Bau-
ern guren etwa als Leidende in Bauernklagen oder in lustigen Rollen besonderes
Gewicht; doch auch bei literarischen Bearbeitungen urbaner Typen und Gep ogen-
heiten markieren regio- und soziolektale Elemente Zugehörigkeit oder Abgrenzung.
Ähnliches gilt für die Texte des Kapitels Fremdes und Eigenes, in dem der Blick zu-
nächst auf die (Re-)Produktion von Stereotypen über Regionen und deren Einwohner
gerichtetwird,umdannaufjenekulturellenDokumentezublenden,indenenFremdein
einerMischungausFremdspracheundMundartzuWortkommenunddamitals
eigene
Fremde` Grenzen zwischen Eigenem und Fremdem überschreiten. Das sechste Kapitel
Brauchtum und Geselligkeit untersucht Dialekttexte, die selbst dem Brauchtum dienten
oder indenenverschiedeneBräucheundVerhaltensmuster in literarischerFormre ek-
tiert werden. Im folgenden Kapitel Körper und Sinnlichkeit sind Texte versammelt, die
damalsnurbedingtliteraturfähigeMotivewieKrankheit,Ausscheidung,Ekelerregendes
oder Sexualität, aber auch weniger Verfängliches rund um die Liebe aufgreifen. In Feh-
denundFeindschaften schließlichwirddaspolemischePotenzialdialektalerLiteratur in
den Mittelpunkt gerückt. Der Bogen reicht hier von agitatorischen Texten im Konfessi-
onskampfüberjosephinischeStreitschriftengegendiePredigtpraxisbishinzuDebatten
desLiteratur-undKulturbetriebswiedem Hanswurststreit`oderdenDiskussionenum
StandardisierungunddenWertvonRegionalsprachen.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen