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LIEDER UND SPIELE DES WEIHNACHTSKREISES 31
Wie schon die ältesten erhaltenen Textdokumente das wohl noch aus dem 14. Jahr-
hundert stammende St. Galler Weihnachtsspiel`, die Erlauer Weihnachtsspiele` oder
das Hessische Weihnachtsspiel` zeigen, tritt dabei die theologische Auseinanderset-
zung zugunsten einer genrehaften Ausgestaltung der Anbetung und der emotionalen
Aneignung (die besonders im volkstümlichen Brauch des Kindelwiegens` zum Aus-
druckkommt)zurück.
Die frühesten geistlichen Spiele mit bairisch-österreichischen Dialektanklängen n-
den sich in einem Codex, der um 1680 wohl in einem oberbayerischen oder salzbur-
gischen Kloster niedergeschrieben wurde und heute in der Staatsbibliothek Berlin auf-
bewahrt wird.17 Das erste der darin enthaltenen vier Weihnachtsspiele (vermutlich ein
und desselben Autors/Bearbeiters) ist der früheste bekannte Beleg für das Modell des
vonAugustHartmannsobenannten HalleinerWeihnachtsspiels`,das inverschiedenen
weiteren Fassungen aus dem 19. Jahrhundert überliefert ist, am umfangreichsten in der
HandschriftdesJosephHäuslvon1840.18DerVergleichdieserFassungenzeigtdeutlich,
wie einfach die standardnahe Formulierung der frühesten Niederschrift zu den mund-
artlichen Teilen der späteren Aufzeichnungen ausgestaltet werden konnte.19 Man wird
deshalbmitderVermutungnicht fehlgehen,dassdasSpielauchindenAnfängenschon
merklichdialektalerrealisiertwurde,alsesdasSchriftbilderwartenließe.Mundartnahe
Wendungen nden sich in allen vier Spielen als sozialer Marker natürlich vor allem bei
den Hirten, deren Sprache sich von jener der Engel oder der Heiligen Familie abhebt
undzumal indenGesprächenuntereinandereineigenesRegistererkennenlässt.
Am deutlichsten wird dies im vierten Spiel des Bands, dem kürzesten, da etliche be-
reits in den anderen Stücken verwendete Szenen und Lieder hier nicht ausgeschrieben
sind. Es beginnt mit derselben Szene, die schon das dritte Spiel einleitete, in der der
Wirt Maria und Joseph abweist, ihnen aber den Weg zum hitlein weist. Dann folgt
eine auf alte Schwanktraditionen zurückgreifende Unterhaltung zwischen den Hirten
HaußerundHännßl:
Hausser.
Jezthobichfridteinguetestundt1
daßistäguetsdingNachbar
bleibt schonbeimschoffen ieztmeinhundt
der istaußbindigwachbar.
wansichGarz'hinderist in
felt5
gläbmirägrillel rieret
Ergäbkain fridt, er schreyt, erpelt
alßwanmanrainderschmiret.
er laufft scheibvmbernurvmbd'hert
imholzvndaufderweidten10
vndtwanhaltnuräLämbleinplert
somaintEr, erkhundtsnit leiden
17 Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. germ. qu. 1327. Eine kommentierte Edition der vier Weihnachtsspiele er-
stellte Peter P. J. Rindler: Die Weihnachtsspiele der Handschrift Ms.germ.qu. 1327 der Staatsbibliothek zu
Berlin.Textedition,AnalyseundKontextualisierung.Graz2015[Dipl.].
18 Vgl. Thomas Hochradner: Zur Überlieferung des Halleiner Weihnachtsspiels`. In: Jahrbuch des Österrei-
chischenVolksliedwerks50(2001),S.41 62.
19 Vgl.dieGegenüberstellungderFassungeninebda.,S.46.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen