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LIEDER UND SPIELE DES WEIHNACHTSKREISES 33
Außergewöhnliches geschehen sein muss, und selbst der hetlPokh (Leitbock) und die
Schafe seind halt g'sprungen freüden voll , denn sVich ist ä ä diebat gscheit 21. Dann
berätmandieGeschenke Futter,Essen,einLamm;dieVorbereitungs-undAnmarsch-
zeit überbrückt man mit dem Singen dreier Lieder in arkadischer Tradition. Auch die
Huldigung des Kinds und seiner Eltern erfolgt nun sehr standardsprachlich gesun-
gen.
Textüberschneidungen zwischen einzelnen Werken hier durch Autor/Bearbeiter-
Identität und Überlieferungskontext wenig überraschend sind generell nichts Unge-
wöhnliches in der Dichtung zum Weihnachtskreis. Dass populäre Einzelteile in andere
Kontexte transferiert wurden, war gerade auch bei den Hirtenliedern Usus. Das eng
abgesteckte thematische Feld, die Vorliebe für simple Strophenformen, die auch den
Melodienaustausch einfach machte, die vorrangig mündliche Überlieferung und nicht
zuletzt auch Geschäftsinteressen der Flugschriftdrucker förderten geradezu ein Bau-
steinsystem`, das in der Kombination von Material unterschiedlicher Herkunft Neues`
entstehen ließ. Das im 18. Jahrhundert sehr populäre und dementsprechend breit über-
lieferteHirtenliedGOttgrüßenckbeysammäverzeyhtßmämeinFrag etwabegegnetuns
erstmals1744ineinemLiederdruckdesWienerNeustädterVerlegersSamuelMüller,als
achtstrophigeFassunggesungen ImThon:InderstillenMitternacht (dessenStrophen
freilichdeutlich längerundandersstrukturiert sind!):
1
GOttgrüßenckbeysammäverzeyhtßmämeinFrag/
ikennsnitvonnandä istTagoderNacht/
wiedaßmädennheuntkeinHirtennit siecht/
undist jabeyenckdasofröläundliecht.
2
EsnihmtmigroßWundä/daßösmeineLeuth/
imStall jetzundäbeysammädaseyd/
meisagtsmäwas fallt enck imWintä jetztein/
daßmitdenkleinKindinderKältdamögtseyn.
3
KanstduskämdäleydenduSteinaltäGreiß/
hastHaaralswieSeidenhübschwenigundSchneeweiß/
duMüttäbistäziemlizartläundfein/
kanstävonkeinHirtenodäBaurn=Gschlecht seyn.
4
Thutsencknie langb'sinnäundeylts feinäweng/
gehtsmit inmeinHüttennehmtsKindlmitenck/
gehMuettänihmsKindlnihmsau aufmArmbn/
beymir ist schöneing'heitzt schönWindstillundwarm.
5
Hätt is rechtvernommäundehendäbetracht/
hätt i fürdasKindläGütlmitbracht/
hätt ich fürdieKältvonainKitzläFell/
zumessenfürsKindläAyundäMehl.
21 Ebda., f. 100rund101v.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen