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HEILIGEN- UND LEGENDENSPIELE 61
DenFeierabendhatunsdieNotburgaufbracht.
HiazkannihfaullenzeninFeierabendaufd'Nacht.
Bauer,Bäuerinund 'sGsindl,
SiekriagenanSchwindel,
KoanArbatnach'nFeierabendmirnimmeranschaun,
Undwann'sunswurdtangschafft,mir tatenunsnet traun.82
8Luadern] liederlichesLeben9hastkriagtaNasen]bistbeschämtworden11Umaroln]unsteterLebenswan-
del Roasen]Sich-Herumtreiben
ImFallderNotburga-LegendescheintesalsosoetwaswieeineTraditiondialektalerVer-
arbeitung zu geben, wobei natürlich die Fallzahlen für derartige Schlüsse denkbar klein
sind.Es liegtdieVermutungnahe,dassdieseHeiligen gurstärkereIdenti kationsmög-
lichkeiten für die ländliche Bevölkerung bot und damit auch stärker in deren Sprache
verehrt wurde. Notburga selbst allerdings spricht, wenn sie im Spiel auftritt, Standard-
sprache. Auch hier also markiert die Abstufung zwischen den Varietäten eine implizite
Hierarchie, die allerdings nicht durch den sozialen Status, sondern in der moralischen
ÜberlegenheitderHeiligenbegründet ist.
Es ist in der Dialektliteratur des 18. Jahrhunderts vergleichsweise selten, dass diese
sprachliche Differenzierung nach Rang bzw. Status aufgehoben wird und Höherste-
hende in der ktionalen Gestaltung dasselbe Register verwenden wie die Niedereren.
Zwei dieser raren Beispiele sind uns bereits in Schumachers Volksspielparodie Isaac
und Buchers Sint ut-Burleske begegnet. Ein weiteres scheint ein scherzhaftes Heiligen-
spiel zu sein, das aus dem ehemaligen Augustinerchorherrenstift Beuerberg stammt.
Bedauerlicherweise ist das eigentliche Stück, eine Klosteroperette um den Tod des Hl.
Antonius, der sich ein letztes Mal gegen die Versuchungen der Dämonen wehren muss,
nur als handschriftliches Szenar erhalten. Aber die Anlage mit seinen burlesken Szenen
(soetwadertraditionelleGesichtschwärz-LazzoaufKostenSt.Michaels),vorallemaber
der im Wortlaut erhaltene Prolog des Spielgrafen` lassen vermuten, dass die gesamte
Figurenrede inDialektverfasstwar.Das ist insofernbemerkenswert, als sichauchGott-
vater imliturgischenGewandunterdenAgierenden,diesichvorwegsingendvorstellen,
ndet:
istaproponunturpermodumariettæ
Gottvättä. inrauhmantelvndindästoll
bin igottvättäwol feinvnddoll
Michael. VndischwörEnhaufeinaid
däs ibiäEngl indäweisnPfaid
Antoni. Vndideafsnit sagn,ösköntsmiwol
derhl. antoni i seynsoll
däs i seinsoll
öskenntsmiwoll
Deifl. Vndwir2 tui ausderhöll
kemääherandiestöll
82 Zitiert nach Hans Commenda: Ein oberösterreichisches Notburga-Spiel. In: Oberösterreichische Heimat-
blätter23(1969)H.1/2,S.36 40,hier39.AuchCommendagibt lediglicheineAbschriftderverschollenen
Originalhandschriftwieder.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen