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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
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OpenAccess © 2019byBÖHLAUVERLAGGMBH&CO.KG,WIENKÖLNWEIMAR 66 GLAUBE UND ABERGLAUBE Andachtstexte So häu g sich Mundartliches im Fest- und Feierkontext des christlichen Brauchtums ndet, so selten begegnet es uns abseits dieser ‚ Ausnahmezeiten` im rituellen Alltag. Das mag – wie so oft – der Tatsache geschuldet sein, dass das Besondere leichter den Weg in die Schrift ndet, als Erinnerung oder Dedikation, als Arbeitshilfe in der Auf- führungssituation oder zur Sicherung des Weiterbestands, als Verständniserleichterung oderauchabschreckendesBeispiel.GenerellaberscheintderDialektgebrauchingewis- ser Weise nicht der Würde des Gegenstands angemessen zu sein, wenn die sakralen die säkularen Komponenten überwiegen, die unterhaltende hinter die spirituelle Funktion zurücktritt.AlswesentlichanTextenorientierteBuchreligionhatdasschriftlichFixierte im Christentum Offenbarungscharakter; in ihm konkretisiert sich das göttliche Han- deln. Die mündlichkeitsbedingte Abweichung von der Schrift kann dementsprechend als Unterwanderung und Verfälschung des kollektiv Verbindlichen verstanden werden, das sich eben nicht regional, sondern entgrenzend versteht. Ritualisierte Andachtsfor- men wie das Gebet oder das gemeinsame Singen basieren trotz ihrer persönlichen und kommunikativenKomponenteaufderVerbindlichkeitderReproduktiondurchFormel- haftigkeit und entziehen sich somit der Spontaneität und Variabilität des Mündlichen. Das bedeutet freilich nicht, dass im persönlichen Austausch mit dem Numinosen nicht auch regional markierte Nähesprachlichkeit zum Tragen kommen kann – ganz im Ge- genteil. Verschriftlicht ndet man diese ‚ intimen` Dokumente der Glaubenspraxis aller- dings nur höchst selten; und auch da ist zumeist davon auszugehen, dass es sich nicht um konzeptionelle Dialektalität handelt, sondern um eine allmähliche Anpassung der Sprechgewohnheiten aufgrund einer mündlichkeitsnahen morphologischen, syntakti- schenundsemantischenStrukturderAusgangstexte. EinBeispiel fürdieseansichtransitorischeoraleLiteratur istdenWienerPredigtkri- tikern Leopold Alois Hoffmann und Cajetan Tschink zu verdanken,89 die 1787 in den Kritischen Bemerkungen über den religiösen Zustand der k. k. Staaten ein Morgengebet mit dialektalen Formen als abschreckend gedachtes Beispiel einer untragbaren Volks- frömmigkeitpräsentierten: Heutaufsteh i, GegenGottgeh i, GegenGott tritt i, Meinen liebenhimmlischenVaterbitt i, Daßermirverleih' DerhöchstenEngeldrei, Dererste,dermiweißt, Derandre,dermispeißt, Derdritte,dermibehütundbewahrt, DaßmirkeinLeidwiderfahrt. DashelfmirGottderVater, UndderSohn, UndderheiligeGeist.Amen.90 Der Text, der – so monieren die entrüsteten Aufklärer – „ noch häu g gebethet wird“ , war ursprünglich wohl nicht mundartlich verfasst, sollte aber in dieser Form die Un- 89 ZumzeitgenössischenDiskurszuklerikalerPraxisundGlaubensvermittlungsieheauchKapitel8. 90 Kritische Bemerkungen über den religiösen Zustand der k. k. Staaten. Herausgegeben von einer Gesell- schaft. Zweyter Band. Wien 1787. Gedruckt auf Kosten der Gesellschaft. In Kommission bei Sebastian Hartl, S.391f.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 Eine andere Literaturgeschichte
Title
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Subtitle
Eine andere Literaturgeschichte
Authors
Christian Neuhuber
Stefanie Edler
Elisabeth Zehetner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20630-9
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
652
Keywords
Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800