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ANDACHTSTEXTE 67
sinnigkeitvolksreligiöserGebetsformenhinlänglichdemonstrieren.Dassdieschlichten
Zeilen wohl schon damals wie noch im 20. Jahrhundert nicht nur in Österreich,
sondernauchinMähren(Mackovice/Moskowitz)undUngarn(Nagyesztergár/Großes-
tergai)belegt vorallemalsKindergebetfungierten,wirdfreilichnichterwähnt.91Auch
das StubenbergerLiederbuch` überliefertzweianonymeLieder,dieAndachtundFröm-
migkeit im Fokus haben. Bezeichnend ist dabei, dass auch hier dialektale Merkmale
zumindest in der gegebenen Verschriftung nur sehr zurückhaltend ein ießen. Beim
ersten dieser Texte Melodien sind in beiden Fällen nicht überliefert handelt es sich
um das Marienlied Jetz mues ich mich aufmachen, in dem die menschliche Sterblichkeit
angesprochen und abschließend Marias Beistand erbeten wird. Die dialektale Anlage
desLieds, imVortragsicherstärkermarkiert,konkretisiertsichinderNiederschrifterst
indenSchlusszeilen,dieandieGottesmutteralsFürsprecheringerichtet sind:
5
Waneskombtzumsterben: ja sterben:
diswirdseinmein letzteswordt:
hilffmariavonguettenrath:
thueuns imhimmelaufnehmä:
wanmirkemmä:92
Das zweite Lied ist ein Anrufungslied, in dem mit repetitiven Formeln ein frommes
LebenaufErdenbiszumEintritt indasHimmelreichgelobtwird,nachdemjeweilsstro-
pheneinleitendverschiedenehimmlischeInstanzenangerufenwerden.Dassauchdieses
Lieddialektnahrealisiertwurde,verrät schonderAnfangsvers:
1
OHimlischerVatter: steigabäzumir,
sowil fromleben,wilbleibenbeydir,
fromwil ichsein: fromwil ichsein:
bis ichzueuchkomimhimmelhinein,93
1,1 abä]herab
Welche Textsorte sich für die dialektale Gestaltung eignet, hängt auch deutlich mit den
spezi schen Bedingungen des betreffenden Varietätenraums zusammen. Ein vollkom-
menanderesBildzeigtsichetwaimZimbrischen.94ÜberblicktmandieerhaltenenTexte
aus dem 17. und 18. Jahrhundert, so zeigt sich im Vergleich zu jenen des bairischen
Kerngebiets ein deutlicher Unterschied im thematischen und inhaltlichen Gewicht.
DennhierspieltebengeradeauchdergeistlicheBereichinderÜberlieferungeinegroße
Rolle. Als älteste bairisch-österreichische Sprachinselmundart und als Idiom, das wohl
denältestenSprachzustandunterdenlebendendeutschenMundartenvorstellt, schließt
91 ZurÜberlieferungvgl.u.a.AntonHofer:Sprüche,SpieleundLiederderKinder.Wien:Böhlau2004.(Cor-
pusMusicaePopularisAustriacae16)S.103.
92 BayerischeStaatsbibliothek,Cod.germ.7340(StubenbergerGesängerbuch),Teil1,S.15.
93 Ebda.,S.79 80.
94 Die Zimbern siedelten sich im 11. und 12. Jahrhundert in Gebieten Oberitaliens an. Zu den zimbrischen
SprachinselnzählendieSiebenGemeindenundDreizehnGemeindeninderRegionVenetiensowiemeh-
rereOrtschaften inderRegionTrentino-Südtirol (darunteretwaLusern).
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen