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70 GLAUBE UND ABERGLAUBE
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Ichthudirdanksagen,meinBrudäLeopold,
dieLehr istmir lieberalsSilberu.Gold,
daswill ichunswünschenall zweenmiteinand,
daßmäindenHimmeldortkommenzusamm,
dawollnmäGott lobenundpreisenallzeit,
die liebMutterGottes inalleEwigkeit.100
2,2 leicht]vielleicht, etwa3,3 mas]mires
Flugschriften mit dieser Strategie konnten sowohl im Sinne der weltlichen als auch
der geistlichen Obrigkeit verbreitet werden. Im vorangegangenen Beispiel und weiteren
stark moralisierenden Liedern wie Willikomm mein lieber Veit oder Gott griesti Bruedä
veitlbleibtesbeimAufrufzueinemfrommenLeben;wersichvertrauensvoll indieHand
Gottes begebe und den nicht näher bestimmten Seelenräubern` ausweiche, werde von
denhimmlischenMächtenbeschütztundbelohnt.
Dass die Hinwendung zu einem allzu frommen Leben aber auch hinterfragt wer-
den kann, zeigt ein anderes Beispiel aus dem Bereich mundartlicher Erbauungslieder.
Wiewohl ebenso mit frommen Hintergedanken verfasst, zeigt das Pfarer Lieth aus dem
1742 verfassten
Gesang Büechl` der steirischen Gewerkensgattin Maria Hasenhütl so-
wohl in seiner formalen wie auch in seiner inhaltlichen Struktur eine weniger von oben
herab belehrende Ausrichtung. Inhaltlich schließt es gewissermaßen an das obige Lied
an, wenn der Sänger berichtet, dass ihm die Mahnungen des Pfarrers einen solchen
Schrecken eingejagt hätten, dass er nun schleunigst mit einem heiligen Leben` anfan-
genwolle:
1
UnßerH[err]Pfarerderhatmichderschröckht,
hatmier InganzenLeibgrimbenErwöckht,
wie Iich ihmbhabgebeicht
dahatErmihgeleicht
derdoifelhetmichschon
gottBehiethvnßdaruon.
2
ErhatvnßdenhimmelRechtschenaußgeffälierth,
daßIichmitLustwerBaltEinygespazirth,
Erhatmierdiehöllhergenenth
wießäSogrobNichtPrend
wanmierNäguethwöllenThän,
vndLebenRain.
3
Hiezt fangt ichdaßHeilligeLebenschonan
StrickhKättengaißeldaßhabIichauchschon
PubendößarmenTropf
ichduEnkhaufdemKopf,
100 Vier schöne Neue Lieder. Das Erste: Was willst du dich erheben, o Mensch du fremder Gast, etc. Das
Zweyte: Willkomm mein liebä Leopold, Gott dank dö mein Hanns, etc. Das Dritte: Potz tausend das ist
halt a Leb'n, daß so viel schlimmi Weiba thut geb'n, etc. Das Vierte: Ach, ach entweichet verliebte Gedan-
ken,etc.Gedruckt indiesemJahr. [Linz(?), ca.1790], f. 2r 3r.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen