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160 KRIEG UND FRIEDEN
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Hastdusdendein löbtänitghört,
dasofftainäGlück istbeschert,
dersköckthutanfangä
kanöffterswohlglangä
zumSigundVictorimitFreud,
bißweilnämachäprafBeuth.
[...] 10
JawohlnämeinHießlätäBueb,
derTantzkostnohmehräspaarSchueh,
bey jetzigenZeiten,
haists ritterlichStreitten,
änEselder immäist faul,
dem iegenkainiVögel insMaul.
11
Soseysdensowill ichsprobirn,
wilsBaurenLöbngäntzläquitirn,
wilsandernvoschenckä
äPraxenanhenckä,
willhauäundfetzendrein,
villeichtkanIObristä seyn. 12
UndwenIänObristäwir,
so trinckIkainMostundkaiBier,
Sterz,KnödlundNockä,
äStabnvolliBrockä,
denwill I sValedibaldgöbn,
angirnso langIwerd löbn.125
1,4 hand] habe 4,3 Läschi] (franz. l'argent) Geld 4,4 Guraschi] (franz. courage) Mut 4,6 wöllmä ins] wollen
wiruns6,4wälä]wahrlich6,6afften]dann,danach10,1Hießlätä]SpielmitdemNamenHiesl(Matthias)und
der Bedeutung
dümmlich` 11,4 Praxen] säbelähnliches Messer, verächtlich für Schwert; auch Spottname für
einschlechtesGewehr12,4Stabn]HohlmaßvolliBrockä]vollerBrocken12,5Valedi] (lat.valete: lebtwohl`)
Abschiedsgruß12,6 angirn]müßigherumziehen
Zumindest in diesem Lied greifen die Argumente und der Angesprochene will sein
Glück als Soldat versuchen. Seine anfänglichen Bedenken freilich waren nicht unbe-
gründet.AndersalsesdieJubel-undSiegesmeldungen,vorallemaberdieSoldatenwer-
belieder glauben machen wollen, waren Krieg und Soldatenleben weder lustig und un-
beschwert,nochkonntensie tatsächlichfürdasoftversprocheneguteLebenabseitsvon
sozialer und ökonomischer Abhängigkeit garantieren. Dass die Bevölkerung in dieser
Hinsichtkeineswegssoahnungslosundblauäugigwar,wieesvieleobrigkeitlicheLieder
suggerieren, machen Texte deutlich, die nicht ohne Grund in der Regel handschriftlich
überliefertsindunddieserPropagandaeinganzanderesBildgegenüberstellen.Realisti-
sche Schilderungen des Krieges, die nicht hurrapatriotische Stimmung wecken wollten
oderheroisch-idyllischverbrämtwaren,kamenkaumdurchdieZensurbzw.fandennur
selten einen Verleger. In den meisten Fällen ist die Kriegsliteratur im Sinne der Herr-
schenden manipuliert; negative Schilderungen werden nur als Propagandamittel gegen
denFeindzugelassen.126
In einem Ende des 18. Jahrhunderts im Stubenberger Gesängerbuch überliefer-
ten Lied wird die Thematik falscher Versprechungen und Erwartungen in Form eines
(scheinbar neutralen) Bauerngesprächslieds aufgerollt. Dialogisch aufgebaut, liefert der
gesang zwischen den hänsl und hiesl127 eine scheinbare Pro-und-Kontra-Konfrontation,
125 Vier gantz neue Kriegs-Lieder / Das Erste: Was Wundä / was muß i dir sagn / etc. Das Anderte: Frantzos
wasbildst direin /daßdu mit so verwegnenMuth,etc. DasDritte: He lustiKurasche esgeht schondrauf
loß / wo ist dann mein Bixen, etc. Das Vierdte: Leicht ich dann fort muß in Krieg / etc. Steyr / gedruckt
bei Johann Jacob Jahn/ 1734. Eine leicht bereinigte Edition ndet sich auch schon bei Klier, Historische
Liederdes18.Jh., S.26.
126 Vgl. dazu u.a. Rudolf Schenda: Volk ohne Buch. Studien zur Sozialgeschichte der populären Lesestoffe
1770 1910.Frankfurta.M.:Klostermann1970,S.374 379.
127 DerTitel istdemText imStubenbergerGesängerbuchnichtvorangestellt, ndet sichaber imRegister.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen