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SOLDATENWERBUNG, ZWANGSREKRUTIERUNG UND KRIEGSLEID 165
durchaus brisante Themen rund um die Rekrutierung wie die Denunzierung Wehr-
fähiger, die Selbstverstümmelung als Mittel zur Untauglichkeit oder den Entfall einer
Arbeitskraft für den heimatlichen Hof anspricht, will es nicht Missstände des Systems
decouvrieren. Es ist vielmehr die Feigheit und Dienstunwilligkeit des sich verabschie-
denden Rekruten, die dieser literarische Scherz (wie Denis selbst seine Dichtung be-
zeichnet)anprangert:
No,Vadä!bhietdiGott! I siechs, imueßfreygien.
Blib ino lengäda, sokämigrausläz'hien.
Hiett idasDingmägroät, i solld'Muschkötntragn,
IhiettmärohniScheuänFingäbissna,
Aftderfät inöt furst, aftmöcht ibleibnda.
Hieztafähoaßts insFeld,hieztmußiwidänPreußn,
OeshilftkoänZahneinschlagn,öshilftkoänFingäbeißn.
AchGott!wiewirstsmägien,wannskimmtzunFoyägöbn!
Ibinä jungäBue,wieschadisummeinLöbn.
Wiebössäwärs emi,wannidähoämkinntbleibn,
AnWerstähüschbonP ue,anFeyrstäKöglscheibn,
ÄVierstlWeindäzue,oänsTanznodäKarstn.
Alloänös isumsist.KoänSchmölzähaniz'gwarstn,
DöNudlsaindväbai,koänDunkätskrieg imeh.
Schau,Vadä!däKabralwie nstäschautähe.
Imoän,dägräntiKuntwillmischonhiezet schmirn.
Ibittoi,basGiduld!hinzkimmtzunExäzirn.
Du,Simerl!hilfhaltdu inVadärödlähausn.
Du,Fränzl! seynixsperr,undlaßdä eißi lausn.
Wanns ibänDienäkemmpts,dermiverradnhat,
SobröchtsdenznichtnSchurkdöHäxnohniGnad.
Werwoäß,dälöbtsanmirnowohlängroäßnHerrn,
Aftmögtsösolli zwiennomeiniReidknetwern,
UndunsäSchwöstäd'Maizkriegt söidäwalkoänMann,
AftnimmisöihaltäzumeinäKöchinnan.
Löbtswohl,ollmeiniGspän!Löbtswohl,dösRoßundOchsn,
UndlaßtsenkkoängrabsHaarvonwögnmeinäwochsn.
FürolliLiebundTroidankienk eißi schoän.
InFuedänmagienkhaltäkoänGietmehthoän.
Vorollnafädu,meinMuedä! löb freywohl!
Wie loädibin iniet,daß imischoädnäscholl!
Iderfnietdenknauf, sistkimmigrausläz'hien.
Löbtsolliwohlbonand! I siechs, imueßfreygien.135
1 frey] nur, nun gien] gehen 2 hien] (laut) weinen 3 Hiett i] hätte ich mä groät] mir gedacht, vermutet
4bissna]abgebissen5Aftderfät inötfurst]dannmüsste ichnicht fort11Werstä]WerktagFeyrstä]Feiertag
12 Karstn]Karten(spielen)13 Schmölzä]Schmelzer:Mehlspeise gwarstn]erwarten14 Dunkäts]Getunktes:
Wien ein Gedicht in steirischer Mundart verfasst haben könnte; zumindest aber lassen seine Angaben
zumEntstehungskontextvermuten,dassderTexteinigeZeitvorAbdruckentstandenseinwird.
135 Denis, Lesefrüchte II, S.68 70. Interessant sind die Anmerkungen, die Denis dem Text zur sprachlichen
Gestalt beigibt. Für die schriftliche Wiedergabe bedauert er, dass
das gewöhnliche Alphabet [...] küm-
merlich hinreichet (S.68), und konstatiert abschließend: Das Ganze würde verständlicher seyn, wenn
manesvortragenhörte,alsdamanesliest,weilmaneinigeTöne,wieichschonerinnerthabe,mitunseren
Buchstabennichtganzgenaubezeichnenkann (S.70).
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen