Page - 425 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
Image of the Page - 425 -
Text of the Page - 425 -
GELEGENHEITSPOESIE 425
1
Wasgiebtsdennz'Traunkirhaheuta?
Sänd,glaub ih,döGfadäsleutda.
Ihwaißschan, ihbildmä's schierein,
ÄswirdhaltäKindelmahl seyn.
DenSchmauß,döMahlzeit thains'kochä,
DennheutsändausdösechsWochä;
d'StrengFrau ißvaRomwiedäda:
DenGspaißgiebtsz'Traunkiehraheuta. 2
WiehatdäStrengHerrsihnötgrimmt,
däßglückläd'StrengFrauniedäkimmt;
Wie'snahätmit ihrkämmäfd'Zeit,
Dahat 'nkainRandnimmägfreut.
DerGrummäthät 'noftnetten,
ZumWain,zumSeufzenundbethen;
Stellt allerlaiAndachtenan:
Schaut's!was füräheiligäMann!
3
Wie istdäStrengFrausünstengschehng,
Sooft'sPöschenBäberlhatg'sehng?
DäHimmelwaiß'swass' ihrhatdacht,
Undwass' ihr fürFausenhatgmacht?
Undkam(wasdas füräWunä!)
Wär'sd'FrauvonHerrnDesselbrunä;
SothuetSihd'StrengFraugleihbekehrn:
d'FrauBäberlmußGfäderinwern.46
1,1 giebts ... a] passier, ist los Traunkirha] Traunkirchen: Ort am Westufer des Traunsees 1,2 Gfadäsleut]
Taufpaten (Göd und Godn) 1,4 Kindelmahl] Festessen zu Ehren der Taufpaten direkt nach der Taufe bzw.
nach Ende des Wochenbetts der Kindsmutter 1,7 Streng Frau] Frau des Strengen Herrn` Hofrichters, s.u. va
Ram wiedä da] von Rom wieder zurück: Kindern wurde die längere Abwesenheit einer Wöchnerin aus dem
öffentlichen Leben scherzhaft mit einer Fahrt nach Rom erklärt 2,1 Streng Herr] Titulatur für einen höhe-
ren Beamten ohne Rats- oder Adelstitel grimmt] Sorgen gemacht 2,4 Rand] ausgefallene Idee, mutwilliger
Streich2,5Grummä]Kummer,Gramnetten]nötigen,zwingen3,2Bäberl]KurzformfürBarbara3,4Fausen]
Einbildung,Phantasterei
Vielleicht war es ja der um 18 Jahre jüngere Peter Gottlieb Lindemayr damals noch
Schreiber inderTraunkirchenerKanzlei seinesBrudersundeingesuchterSänger ,der
das Lied im Kreis der Familie vortrug. Dass er es zweifellos kannte, belegt auch sein ei-
genes,nachdiesemVorbildgestaltetesFreudenliedWasgätsdenninStadlheutmehr für
änRand,daszueinemähnlichenAnlassentstandenwarundzumal inderAnfangsstro-
phedeutlichestilistischeundsprachlicheParallelenaufweist.Verfassthatteeresaufdie
glückliche zweite Entbindung seiner 39-jährigen Frau Susanne, die ihm die einträgliche
StellealsSalzstadelschreiber inStadl-Pauraverschaffthatte.47 1766hatteeineTotgeburt
sie beinahe ins Grab gebracht. Da sie in der Folge fürchtete, kinderlos zu bleiben, wollte
sie zunächst auch den ersten Anzeichen für eine erneute Schwangerschaft nicht recht
Glauben schenken, hegte sogar die Besorgnis, von einem weiteren Ödem genarrt zu
werden, bis endlich die Bewegungen des Kinds im Mutterleib zu spüren waren. Bei der
komplikationsfreien Geburt am 11. Oktober 1768 brachte sie schließlich ein Mädchen
zurWelt:
46 Lindemayr, Dialektlieder I, S.177f. Zu Ernest Frauenbergers Arrangement des Lieds für Pianoforte vgl.
Peter Deinhammer/Christian Neuhuber (Hg.): Maurus Lindemayr/Ernest Frauenberger: Klavierlieder in
oberösterreichischerBauernsprache.KommentierteAusgabe.Weitra:BibliothekderProvinz2015,S.248f.
47 ZudennäherenUmständendieserStellenvergabeimkirchlichenEin ussbereichvgl.ChristianNeuhuber:
und ein besonderer Liebhaber der Dichtkunst. Zum Leben und Werk Peter Gottlieb Lindemayrs. In: Peter
Gottlieb Lindemayr: Lieder in oberösterreichischer Mundart. Kritische Ausgabe. Hg. und kommentiert
vonChristianNeuhuber.Wien:Praesens2010,S.93 141,hier100 105.
back to the
book Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen