Page - 427 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
Image of the Page - 427 -
Text of the Page - 427 -
GELEGENHEITSPOESIE 427
schaft] (hier) Verwandtschaft, Familie 1,3 öppern] etwa, vielleicht 1,4 Dirnderl] Mädchen 1,5 Pirnderl]
Birnchen 2,2 Sändel] Kurzform für Susanna braschäd] dick, (hier im Sinne von:) schwanger 2,3 Aft] dann,
also 2,5 pochä] backen, ausbacken, (hier) ein Kind austragen 4,5 graten] passieren, geschehen 5,1 Engltag]
Fest des Erzengels Michael (29. September) ainwög] dennoch, trotzdem däkennt] erkannt 5,2 öppäs] irgen-
detwas ungfähr] plötzlich, unversehens inhi] hinein grent] gestoßen 5,5 Plangä] (übermäßiges) Verlangen,
Lust 5,6 än] auf den Rumplä] ungestüme, heftige Bewegung 6,3 dös I was haiß] Formulierung zur Bekräfti-
gung eines Sachverhalts Gspais] Spaß, witzige Sache 7,2 in Wochän da liegt] im Wochenbett liegt 7,3 Gsund]
Gesundheit
IndenwenigenJahren,dieihrbeschiedenwaren,sollteMaximilianaBarbaraLindemayr
inLustspielenihresOnkelsMauruszumPublikumslieblingdesLambacherStiftstheaters
aufsteigen.
Auch das Hochzeitslied Grieß enk Gott! da bin I wiedä des Stadelschreibers be-
dient sich anders etwa als Han heut früh schon lang hin und her graitt (1752) seines
Bruders Maurus nicht der traditionellen distanzierenden bäuerlichen Re exions -
gur. Es ist vielmehr das poetische Protokoll` eines Berichts, den eine Mademoiselle
M.E.P. voneinerHochzeit inLauffengab,anderderStadelschreiberausunbekannten
Gründen nicht teilnehmen konnte. Wer sich hinter dem Kürzel verbirgt, konnte noch
nicht eruiert werden. Doch muss es eine Angehörige der bürgerlichen Oberschicht aus
dem Umfeld des Gmundner Salzoberamts gewesen sein, deren launige Schilderung der
Hochzeit zwischen dem Wildensteiner Amtsschreiber Johann Baptist Schibl und der
Salzfertigerswitwe Katharina Wiesmayr P.G. Lindemayr 1789 zum Gaudium des ge-
meinsamen Freundeskreises in Verse fasste. Diese gewähren einen aufschlussreichen
Einblick in die damaligen bürgerlichen Hochzeitsbräuche. Nach der durch Lawinenab-
gänge erschwerten Anreise eines Teils der Hochzeitsgäste von Gmunden per Schiff und
Schlitten wurden sie vor Ort von der restlichen Gesellschaft und von Braut und Bräuti-
gam empfangen. Quartier wurde im Haus der Braut, einem stattlichen Salzfertigerhaus
direkt unterhalb der Kirche, bezogen, wo bereits am Abend vor der Hochzeit das Fest
begann:
6
Aftensänmäruehigsössen,
Bißshatghaissen,an ißgricht.
Undnachdemmägnuehabngessen,
HammärübersTänzengricht.
Dashatdaurtbiszwayfruhmaring,
WodäBräuckähaimistgfahrn:
Gleiwohlderftsenkganötsaring,
daßmäsänmarodiwarn. 7
WiedäTag,undStundanbrochä
zudäKupelgäzigan
Sänmäraus'nBethernkrochä,
Unddasgleiumail schan.
Sän ind'Kiräeini trötten,
Ehrbar, züchti, volläScham,
HamdenliebenHimmelbötten,
FürdieBraut,undBräutigam.
8
IhrHerrPfarrä,däHerrSchreinä
HatdöBrautleut cupulirt.
IßäbräväMann,ä feinä:
derhat iehnsgaschönprobirt,
Wasdassagnwill indäBibel,
Wachset,undvermehreteuch:
daßänjedä jungäSchibel
SchanißbstimmtfürsHimmelreich. 9
WiessändausdäKirägangä
SässenszaminHahzetsaal.
Fluchshamszumvexirnangfangä,
dashatdaurtdasganziMahl.
Leutsändgwösenbeinänanä,
d'Fraunäglei sobräf, alsd'Herrn;
Jawohlzanken! jawohlgranä!
Hamsdäranänandviel z'gern.
back to the
book Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen