Page - 431 - in Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte
Image of the Page - 431 -
Text of the Page - 431 -
GELEGENHEITSPOESIE 431
zu umfangreichen, hochzeitähnlichen Feierlichkeiten der gesamten Gemeinde, die mit
StolzdemBeginndergeistlichenTätigkeiteinesSeelsorgersausihrenReihenbeiwohnte.
Der Neugeweihte wurde von einem befreundeten Priester, der auch die Primizpredigt
hielt, zunächst unter Glockengeläute in feierlicher Prozession zur Kirche geführt, wo er
alsHauptzelebrantdieMessefeierte.BeideranschließendenPrimiztafelfürdenengeren
Kreis der Familie und Ehrengäste wurden diese heiteren Gesangseinlagen von den Mu-
sikern,diezuvorschondieMessebegleiteten,aufgeführt; zumGaudiumdesPublikums
konntendabeidurchausauchParallelenzuden
weltlichen` HochzeitenunddenVorzü-
gen der jeweiligen Bräute` gezogen werden, wie in diesem 14-strophigen Lied zur Feier
dererstenMesse,diederWeltpriesterMichaelStainerinderSteyrerStadtpfarrkircheam
29. Juni1778hielt:
1
IhrHerrn,undFrauen!väzeichstmämeiSinga,
Iwirengbänößndagarnit lang irrn:
Ößderftsmäkaiößn,kain trunknitzuebringa,
Imus inH.Bräutigamägratulirn,
Ös iß jabänHazätenäsinstdaBrau
WansDirnlänMankriegt,undsBiebläFrau.
2
Werwill sibänheutignföstaftnaufhalten,
denänandröHazätvoweitnnitglei
derPriestäseinWeikriegt sei löbtakaiFalten
Bleibtalliweilgstaltö, recht schönundrundreih
Derhat iemärundögöGlöngätausgschaut;
dökatholischKirä ißselmäseiBraut.
3
ÄsölchänäBrautgähatwährläguethandeln,
äsölchänä ißschoaufewöaufghebt
derallitaGott inänMenschthuetväwandeln,
der täglömitGott,undseinHeilingäGeist löbt
der irrögöSchafödenrechtnStallweißt
dermitnWartChristiganzeifaröspeißt.
4
SomachthaltGottWundämit eißingäLeutn
döandächtö, frum,undfei eißi studiern:
Aft schiktä iensölchänäsälögözeitn,
Undthutszuseingeistlingädingäanführen.
SohamsvodäFreundschaftänötlädäfahrn,
Weil scho iena7. lautäGeistlingseindwarn.55
1,2 I wir eng bän ößn] Ich werde euch beim Essen 1,3 Öß derfts mä] ihr müsst mir 1,5 bän Hazäten ä sinst]
beiderHochzeitauchsonst
Mit viel Laune schildert der Dichter in den folgenden Strophen die familiären Ver-
hältnisse des Primizianten; immerhin ist es bereits der dritte Sohn der Frau Jobstin`,
der den geistlichen Stand ergreift. Auch dem kleinen Bruder Hans wird eine ähnliche
Zukunft prognostiziert, ein älterer Bruder ist Wirt, die Tochter gut verheiratet. Die ob-
55 OberösterreichischeLandesbibliothek,Mappe779,117, f. 1r.
back to the
book Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800 - Eine andere Literaturgeschichte"
Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen