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GELEGENHEITSPOESIE 437
Die harteNuss`derGehorsamkeit inderNachfolgeChristi isteinwesentlicherBestand-
teilmonastischenLebens.DenWillenGottesmöglichstgutzuverwirklichenimplizierte
auch, den Dispositionen der Oberen in allen Lebensfragen zu folgen. Insofern war die
Wahl des Oberhaupts einer Ordensgemeinschaft von zentraler Bedeutung für alle, die
ihmGehorsamschuldigwaren.Dementsprechendfeierlichwurdedierichtungsgebende
Entscheidung im 18. Jahrhundert üblicherweise zelebriert, nicht nur im Heimatkloster.
Als etwa der frischerwählte Kremsmünsterer Abt Erenbert Meyer im Juni 1771 auf der
HeimreisevonseinerInfulierunginPassauimKlosterLambachHaltmacht,wurdeihm
zu Ehren auch der dialektale Kurzweilige Hochzeit-Vertrag aufgeführt, den Maurus Lin-
demayr für die Verabschiedung der Erzherzogin Maria Antonia im Jahr zuvor verfasst
hatte.
Nicht zuletzt diese Festkultur war eines der Argumente im
josephinischen Kloster-
sturm`, das Benediktinerstift für einige Jahre unter Administration zu stellen. Als der
kunst- und wissenschaftsaf ne Abt Amand Schickmayr 1794 starb, brachte eine durch
SperrkommissaredurchgeführteInventur nanzielleVerhältnissezutage,diebeimKon-
vent Entsetzen hervorriefen und die Wiener Obrigkeiten veranlassten, einer Wahl nicht
zuzustimmen, solange die wirtschaftliche Situation nicht geklärt war. Erst Monate spä-
ter wurde sie mit der Auflage erlaubt, dass sich der gewählte Abt zur Veräußerung der
Kupferstich- und Münzsammlung und zur Umsetzung der verordneten Wirtschaftsre-
form eidlich verp ichtete. Die Wahl des Lambacher Kapitels el wenig überraschend
aufdenbegabtenPredigerundausgebildetenAstronomenJulianRicci,derzuvorbereits
als Mitadministrator die Geschicke des Stifts geleitet hatte. Von seinem ausgleichenden
Wesen versprach man sich eine Versöhnung der Diskrepanzen im Konvent, aber auch
die notwendige Konsequenz, um die dringend erforderlichen Reformen durchzusetzen.
DiesePunktesprichtauchPeterGottliebLindemayrsFreudenliedJuhesä!heutfreutsmi
an, das am Wahltag zur Abendtafel und am folgenden Tag zur Mittagstafel abgesungen
wurde:
4
Zwarschmutztäga friedli,und lächeltainan,
Mämeinet,daßerganöternstli seynkan;
DowichtigiSachä
vätreibnt iehmschon 'sLachä;
da ißäganzanäs, schickt si ind'Zeit
Undwennsäsoseynmuß;sozaigteräSchneid.
5
Z'ersthatädäWahlsiäWeilwidäsetzt,
Wiewohläsi endlinohgebnhataufd'letzt:
Äskämmiehmschierauä,
Äwärdanötz'brauä:
DiDemuthhatafäaus iehmäsogröd:
DrumhälfäseinganziEntschuldigungnöt.
6
IhaltsKain fürÜbel; äswill schonwassagn:
ÄsölteräHerrmußdenganzenLast tragn.
Dasmachtainschonschwitzen,
Undlehrntainstät sitzen:
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen