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FREIZEITDICHTUNG 447
6,3 Oen] den (zu
der Fahn`) 7,1 Singabuam] Sängerknaben 8,4 zoterter] mit langen Haaren, dichtem Fell
9,2 toant] tun 9,4 Spörn] Sperren: nach Todesfall verhängte Sperre der Erbmasse 10,2 Uibertan] Bahrtuch
12,1 Wedl] Aspergill, Weihwassersprenger 12,4 daschnappt] erwischt 14,4 Mudlbratl] Mürbbraten (aus mit
GewürzenundSalzgebeiztem,geräuchertemFleisch)16,3 Goraschi] (franz.courage)Mut17,4 auffö]hinauf
hoamb]heim
Der ironische Grundtton des Lieds lässt unklar, ob sich das Lied auf ein tatsächlich in
dieser Weise zelebriertes Ereignis bezieht oder dieses nur zur Erheiterung der Zuhö-
rerschaft imaginiert. Zwar sind rituelle Begräbnisse von Bären in der volkskundlichen
ForschungseitdemNeolithikumnachgewiesen.FürCommendasAnnahme,dassessich
um einen alten Jägerbrauch aus dem Salzkammergut 76 handle, gibt es jedoch nur we-
nige Belege, so etwa eine Briefstelle zu einer Bärenstrecke von 1837, in der von einem
Totenmahl des Bären 77 die Rede ist. Ob sich daraus ein kontinuierliches Brauchtum
ableiten lässt, seidahingestellt.
Freizeitdichtung
Nicht konkrete Anlässe oder Ereignisse, sondern das gesellige Beisammensein an sich
und die zwanglose Unterhaltung sind der produktive und performative Kontext für
Freizeitdichtungen aller Art, die uns als Trink-, Gemeinschafts- oder Werbelieder, als
Begleittexte für Tanzformen, Spiele oder Geschicklichkeitsbewerbe oder aber auch als
umfangreichere dramatische Arbeiten überliefert sind. Beim vergnügten Miteinander
im Freundes- oder Familienkreis ist die Verwendung des Dialekts nur allzu nahelie-
gend auch wenn dies in der Verschriftung oftmals nicht zu Tage tritt. Eine geradezu
für den regiolektalen Vortrag prädestinierte Textgattung wie der Witz etwa zeigt in den
verfügbaren handschriftlichen Quellen überraschenderweise nur sehr zurückhaltende
Spuren konzeptioneller Mündlichkeit. Die Witze in der zwischen 1700 und 1729 ange-
legten, heute leider verschollenen siebenbändigen Sammelhandschrift Olla potrida des
LinzerJuristenJohannCarlSeyringer(denwiralsstolzenVaterschonkennengelerntha-
ben)weisen soweitdiesGugenbauersAuszügenzuentnehmenist 78nurzarteSpuren
dialektalerMündlichkeitauf, soetwa indenfolgendenbeidenBeispielen:
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Es schickte ein Bauer dem Pfarrer durch seine Tochter eine Schlachtschissel. Als sich nun der
Pfarrer deretwegen höflichst bedankte mit Vermelden, es wär gar zu viel, gab ihm das Mädl zur
Antwort: Ja, es hats mei Muetter wohl auch gsagt, es wär zuviel, es hat ihr aber der Vater zur
Antwortgeben: Ja,wohlzuviel;werweißwannwiretwadesSchelmenvonNötenhaben.
76 Commenda,Bärenbegräbnis,S.267.
77 ZitiertnachKlier,EineBärenjagd,S.143.
78 Vgl.GustavGugenbauer:LinzerWitzvor200Jahren.AusdenSammlungenvonJohannCarlSeyringer.In:
Heimatgaue12(1931),S.69 83,158 173. GustavGugenbauer:LinzerWitzvor200Jahren. In:Heimat-
gaue 16 (1935), S.68 78. Zum Verbleib der Bände vgl. Gernot Barnreiter: Johann Carl Seyringer. Leben
undWirkeneines frühneuzeitlichenRechtsgelehrten.Wien2012. [Dipl.], S.22,Fn.72.
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Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
Eine andere Literaturgeschichte
- Title
- Bairisch-österreichische Dialektliteratur vor 1800
- Subtitle
- Eine andere Literaturgeschichte
- Authors
- Christian Neuhuber
- Stefanie Edler
- Elisabeth Zehetner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20630-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 652
- Keywords
- Germanistik, Dialektliteratur, Bairisch, Sprachwissenschaft, österreichische Dialektkunst
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen