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42 Sitten und Gebräuche. 42
sagt man, dass an diesem Tage die Mutter Gottes einen Brand (Feuer-
fackel) in die Erde stecke.
Am Rosenkranzsonntage (1. Sonntag im October) oder am Kirch-
weihsonntage (3. Sonntag im October) wird in den meisten Pfarren das
Ernte fes t gefeiert. Dazu werden, um den Altar zu schmücken, alle
Garten- und Feldfrüchte des Pfarrsprengels in die Kirche gebracht. Da
und dort wird wohl auch eine Procession abgehalten, wobei Jungfrauen
die Früchte als Opfergaben tragen. Zu Allerheiligen freuen sich Dienst-
boten und Kinder auf die Heiligenstritzel und am 11. November wird
der hl. Martin durch ein besseres Essen „geloht".
Am Allerheiligentage nachmittags und am Allerseelentage vormittags
werden die Gräber der verstorbenen Angehörigen mit Kerzenlichtern und
Blumen geschmückt. Es wird viel gebetet und gemüthvolle Seelen bespre-
chen die Sage, dass vom Allerseelentagvorabende an bis zum Abende des
anderen Tages das Fegefeuer ausgelöscht sei und dann für jene wieder neu
beginne, die noch nicht erlöst worden sind. Für alle sei der Allerseelen-
tag ein Ruhetag.
Vom Katharinatag, dem 25. November, sagt man: „Katharein sperrt
den Tanz ein." Es beginnt der Advent, und in dieser hl. Zeit tanzt seihst
der tollste Bursche nicht.
Am 6. December ist der für alle Kinder erwartungsvolle Nicolai-
tag. Im Ennsthale, besonders aber im Ausseer Viertel, geht abends vorher
in mehreren Orten der hl. Bischof Nicolaus, begleitet von seinem Hof-
caplane und darauf der „Bartl" (Teufel), hegleitet von allerlei Schreckens-
gestalten, von Familie zu Familie. Dabei wird unter Geläute von Vieh-
glocken ein schrecklicher Lärm gemacht. Im Murthale geht es stiller zu;
es treten Nicolo und Bartel maßvoller auf, und häufig wird zu den Kindern
davon nur gesprochen, ohne dass sie wirklich auftreten. Es stellen die Kinder
abends ihre Schuhe auf, und in der Nacht legt dann der Nicolo in die-
selben Obst oder ein Kleidungsstück ein, und wohl auch eine Ruthe dazu.
Im Advente unterlassen viele nicht, täglich die Adventmesse (Rorate) zu
besuchen, seihst wenn sie weit von einem Berge herab oder von einem Graben
herauskommen müssen. In Hinterberg (das ist das Thal zwischen dem
Grimming und zwischen Aussee) und in manchen Gegenden des Ennsthales
ist es Brauch, am ersten Adventsonntage eine Wurstmahlzeit abzuhalten.
Man nennt diese Würste „Roratenwürste".
Für das Weihnachtsfest wird in den Häusern und Stallungen alles
mit großer Sorgfalt gesäubert, gebessert und in Ordnung gebracht. Um
die Kinder zu dieser Arbeit anzueifern, wird gesagt, dass in der hl. Nacht
die Berchtel herumgehe, den liegengebliebenen Kehricht und Schmutz sammle
und selben den saumseligen Leuten in den aufgeschnittenen Bauch einnähe.
Am Unschuldigenkindertage (28. December) pflegt man sich, sobald
man am Morgen zusammenkommt, gegenseitig mit Ruthen zu schlagen und
dabei zu rufen: „Frisch und g'sund ! Frisch und g'sund!" Arme Leute
gehen in die Häuser, um „Frisch und g'sund" zu gehen und dafür ein
Almosen (Kletzenbrot) zu bekommen. Diese Art des Almosensammelns
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918