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48 Sitten und Gebräuche. 48
vorgelesen, gesungen und zuletzt gebetet. Bevor sie gehen, erhalten sie
eine kleine Jause; zum Begräbnisse geschehen Einladungen. Am Begräb-
nistage versammeln sich die Eingeladenen und wohl auch andere heim
Trauerhause, um die Leiche unter Gebet auf den Gottesacker zu begleiten.
Bevor der Sarg mit der Leiche aus dem Hause getragen wird, wird damit
auf der Hausthürschwelie dreimal ein Kreuz gemacht. In manchen Gegen-
den hält der Leichenzug hei jeder Kapelle und Bildsäule, wo er vorbei-
geht, unter längerem Gebete stille.
Nach vollendeter Begräbnisfeierlichkeit in der Kirche ist in einem
Gasthause das Todtenmahl („Bestattung", „Todtenzehrung"), das oftmals
sehr kostspielig ist und von den Erben des Verstorbenen bestritten wird.
Zum Schlüsse des Mahles hält jemand eine Ansprache („Danksagung")
nnd alle beten noch einmal für den Verstorbenen.
In den letzten drei Faschingstagen gibt es da und dort Mummenschanz,
besonders im oberen Murthale („Faschingrennen") und im Ennsthale und
am allermeisten in der Ausseer Gegend („Moskern").
Im Frühjahre und Sommer wird in manchen Gegenden des Murthaies
das „Ringen" geübt. Zwei Bursche fassen sich an den Achseln und suchen
sich gegenseitig bald mit den Händen, bald mit den Füßen zu Falle
zu bringen.
Im Frühjahre gibt es eine Unterhaltung, die man im ganzen Mur-
thale das „Go n e ß r e n n e n" oder „G o n eß s p r i n g e n" und im Enns-
thale das „Dritte-Mann-Laufen" nennt. Leute stellen sich paarweise auf
einer "Wiese oder einem Anger auf, ein Paar hinter dem anderen. Vor
dem ersten Paare steht einer und ruft: „Kikeriki, 's hintere herfü!" —
Auf diesen Ruf laufen die zwei zu hinterst Aufgestellten, ein jeder
auf seiner Seite vorwärts und suchen zusammenzukommen, aber der Aus-
rufer, „Ganerl" genannt, strebt es zu verhindern, indem er einen von den
beiden Laufenden fängt. Der Abgefangene muss dann Ganerl werden,
der andere von dem Paare und der gewesene Ganerl stellen sich nun als
das erste Paar vor der Zeile auf. Hat der Ganerl das Zusammenkommen
der Laufenden nicht verhindern können, muss er abermals das letzte Paar
vorwärts rufen u. s. w. Sonntag nachmittags sieht man häufig ganze Scharen
von Burschen und Mägden Ganerlrennen oder Goneßrennen.
Auch das „Bruckenspringen" kommt im Frühjahre vor. Eine Menge
Bursche stellen sich in gewissen Abständen und in gebückter Haltung auf
der Strasse oder auf einem langen Anger auf. Der letzte fängt zu
laufen an und springt über alle hinüber und stellt sich dann wieder an
der Spitze aller her, währenddem schon der vorletzte und drittletzte u. s. w.
nachspringen.
Wenn Bohnen auf den Tisch kommen, so sucht man zwei heraus,
welche weiße Keimstriche haben und „Böhninnen" genannt werden. Eine
Böhnin behält man bei sich und die anderen gibt man einem Tischgenossen
und sagt zu ihm: „Am künftigen Sonntage um einen Krapfen (oder sonst
was) auf einen Laden (oder auf e iner Bank, oder auf einer Stiege
u. s. w.)." Wenn die Wette angenommen wird, essen beide die Böhninnen
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918