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Sitten und Gebräuche. 49
und gehen am bestimmten Tage acht, dass sie auf einen Boden zu
stehen (oder einer Bank zu sitzen oder auf einer Stiege zu gehen)
kommen, und wer dann zuerst ausruft: „Zahl'mir meine Böhnin!" der hat
die Wette gewonnen. Zuweilen wetten alle Dienstboten, Knechte und Mägde
unter einander, so dass ein allgemeines, überaus lächerliches Nachtwachten,
Ausweichen, Ausspähen und Überlisten stattfindet.
In den Alpenthälern ist es für alt und jung eine Ehrensache,
zur Sommerszeit einmal auf eine hohe Bergspitze aufzusteigen, Alpen-
blumen, und zwar zum mindesten Speik, wenn nicht Edelweiß und Kaute
zu holen. Dabei wird auf allen Almen Einkehr gehalten. Diese Alpen-
blumen werden dann am nächsten Sonntage am Hute getragen. Überhaupt
ist es in ganz Obersteiermark häufiger Brauch, dass die Burschen an den
Sonn- und Feiertagen ein Sträußchen frischer Zierhlumen, und zwar ins-
besondere von Nelken, am Hute haben. Die Weiberleute tragen es eben-
falls oft am Hute oder am Mieder.
Sonntag nachmittags und an Werktagen zur Winterszeit abends,
wenn die Mägde in der Stube spinnen, unterhalten sich die Mannsleute
mit dem Kartenspiel, und zwar sind : Mariaschen, Zwicken, Mauscheln, Fär-
bein, Brandein, Sauluckenfahren, Schafköpfen, Baaernabschatzen, Schwarz-
peterln und Preferenzen die beliebtesten Spiele. — Wenn ein hausierender
Krämer übernachtet, werden gerne Tücheln, Tabakspfeifen u. s. w. ausgespielt.
Zum Kartenspiele werden stets die deutschen Karten benützt.
In den schönen Jahreszeiten lassen, auf Anhöhen stehend, oder auf
der Gasse einhergehend, abends, die Knechte und Mägde ihre Lieder und
Jodler erschallen, im Ennsthale noch mehr als im Murthale, vorzüglich
gerne aber, wenn sie auf die Alpen kommen. Alm-, Jäger- und Wild-
schützenlieder und erotische Lieder werden am öftesten gesungen — auch
Schnadahüpfeln, „Tanzein" genannt.
„Das „Schnadahüpfl" ist ein Kind der Alpe", sagt Dr. Anton Werle
in seiner vortrefflichen Sammlung steirischer Almlieder „Almrausch". „Es
wird mit dem Gesänge geboren und erhält von diesem auch die Weihe,
es gehört zu dem Besten, was die Dialectliteratur zu bieten vermag, und
hat das Volk selbst zum Dichter. Es ist die ureigentlichste Form der
Volkspoesie und wurzelt ausschließlich im Volke." Über die Bezeichnung
„Schnadahüpfl" ist bisher viel gestritten worden. Nach den einen soll
es „Schnittertanz", nach den anderen „Schnatterlied" oder „Spottlied"
bedeuten. Dass es bei den mittelalterlichen feierabendlichen Schnittertänzen
(daher auch „Schnitterhüpfl" benamst) zu Trommel, Pfeife und Saitenspiel
gesungen wurde, steht urkundlich fest. Zunächst ist das „Schnadahüpfl"
ein Tanzlied, eine Tanzweise. Die heutigen Bauerntänze sind im Drei-
vierteltact und dieser ist denn auch dem Schnadahüpfl eigen. Tanz und
Schnadahüpfl treffen einander und deckeD sich meist, sind aber längst auch
von einander unabhängig geworden. Das Versmaß des Schnadahüpfls ist
jenes der altdeutschen Minnesänger, z. B. „Walthers von der Vogel-
weide" u. s. w. ; es zählt die Silben, aber wägt sie nicht; es kennt nur
Hebungen und Senkungen und setzt entweder mit dem Tact ein oder
Krauss, Die eherne Mark. 4
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918