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Sitten und Gebräuche. — Mythen und Sagen, 51
In der Samstagsnacht geht jeder Bursche, oft hohe Gebirgskämme
übersteigend, zu seinem Schatz „Fensterin" oder „Gassein" und spielt dabei
nicht selten vor dem Kammerfenster ein StĂĽcklein auf der Maultrommel.
Ein richtiger Gasselbua muss auch eine Menge Gasselspriiche und Liedein
kennen, sonst gilt er als blöde und ungalant.
„Dirndle, sei not sou stulz,
Dein Bettstattl is eh glei von Hulz.
Meins is ehe goa woach und lind,
Won i a koa Ruah drein find."
„Bst! Dirndl mach auf, lass mi not frei lang loahn
Sou schneidwax wie i bin, derglengst do mehr koan,
Bst! Dirndl mach auf, lass mi nit frei lang steh'n,
MuaĂź sist za der Nachbarsdirn anfensterln gehn."
„Menscha, hab's ghört,
Wo is denn enka Fensta,
Wo is denn enka Gatta,
Liegt's schon wieder drein
Als a kloan vadrahta?"
„Menscha, hob's g'hört,
Is heuer a so wie fert
Ist's fert a so wie heuer,
Seid's heuer a no so tbeuer?"
Mythen und Sagen.4')
Wenn die Knechte und Dirnen an den Winterabenden in der Haus-
stube oder im Sommer vor dem Hause zusammensitzen, werden Lieder
gesungen und es spielt dazu einer oder der andere Bursche auf dem Brumm-
eisen oder der Maultrommel, in neuerer Zeit aber meist auf der Harmonika.
Wenn es drauĂźen stĂĽrmt und wettert und in kalter Winternacht die kleinen
Fensterlucken vom Schnee verweht sind und die Hausbewohner um den
traulichen Kachelofen sich drängen, da ist die rechte Zeit, den von der Groß-
ahnl ĂĽberlieferten Geschichten und Sagen zu lauschen, und nirgends findet
da der Erzähler andächtigere Zuhörer, als hier in der Hausstube. Von
Jägern und Wildschützen, von Geistern und Teufelsgestalten, von Räubern
und Mördern, von Hexen und Schatzgräbern, von Mythen und Sagen wird
da erzählt, und so oft auch die Burschen und Dirnen schon die Geschichten
gehört haben, so gerne lauschen sie wieder denselben. Vom allgemeinen
Interesse ist jedoch die Sagenwelt, weil ihr nahezu immer ein geschichtlicher
Kern zugrunde liegt, und daher wollen wir auch versuchen, die charakteri-
stischen Gruppen des Sagenschatzes des steirischen Oberlandes in gedrängter
Form zu skizzieren.
*) Ăśber den Sagenschatz des Oberlandes besitzen wir das vortreffliche
Quellenwerk: „Mythen und Sagen aus dem steierischen Hochlande" von Johann
hrainz 1880.
4*
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918