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52 Mythen und Sagen.
Allgemein verbreitet sind die Schatzsagen, und zwar vielfach vermengt
mit Schlangensagen. In alten Schlössern und Ruinen, im Felsengewände
und in verschütteten Brunnen gibt es große, von Geizigen zusammengehäufte
Schätze, die jedoch von Hunden oder Schlangen bewacht werden. Der
Schatz ist aber meist nur in der Mitternachtsstunde der heil. Christnacht
zugänglich, aber auch da wehren furchtbare Spukgestalten das Vordringen
bis zur Stätte des Schatzes. In mancher Felsenhöhle sind die ganzen
Wände mit Gold und Karfunkelsteinen bedeckt, doch nur alle hundert
Jahre öffnet sich die Pforte der Höhle während der Passion am Palm-
sonntag und während des Ave Maria-Geläutes am Sonnenwendtag. Die
Schlangen, die die Schätze bewachen, haben goldene Krönlein am Kopfe
und tragen oft goldene Schlüssel im Rachen ; wer sie ihnen muthvoll ent-
reißt, findet den Eingang zu den Schätzen.
Vielfach sind auch die Bergmannssagen verbreitet, und zwar
behandeln dieselben einerseits die Überlieferungen von welschen Gold-
suchern, die, mit dem Bergspiegel versehen, aus den steirischen Bergen
viel Golderze heimtrugen, andererseits aber erzählen sie die Geschichte
vom warnenden Berggeist, der ein Unglück anzeigt, oder vom bestraften
Übermuth der Bergleute.
Die Bestrafung des Ühermuthes und des Wohllehens bildet überhaupt
den Gegenstand zahlreicher Sagen. Alpen, welche heute mit Steingeröll
bedeckt sind, waren einst blühend und fruchtbar, bis der Übermuth der
Sennerinnen die gerechte Strafe herausforderte. Kartenspieler versäumen
in ihrer Leidenschaft den Gottesdienst, Mädchen spinnen fort, ohne die
Kirche zu besuchen, und werden darob zu Stein verwandelt.
Allgemein ist weiters im Enns- wie im Murthale die Lindwurm-
sage verbreitet, und man bezeichnet noch viele bestimmte Stellen, wo die
„thorbogengroßen Rippen noch von den Vorvätern gesehen wurden.
Der Lindwurm hauste meist in einem kleinen See im innersten
Thalgrunde, bis ein Unwetter den See aus seinen Ufern treten ließ. Dabei
„fährt der Lindwurm aus" in die Tiefe des Thalbodens, wo er meist ver-
endet. Noch viele Jahrhunderte konnte man sein Gerippe sehen. Im
Mnrboden hauste ein Lindwurm, welcher mit Knitteln erschlagen wurde,
worauf die Stadt Knittelfeld erbaut wurde. Auch in der Gegend von
Rottenmann, in dem See, dessen letzte Spur noch der Gaishornsee
bildet, hauste ein Lindwurm, der ringsum das Land verheerte. Endlich
besiegte ein muthiger Mann das Ungethüm im Kampfe, wobei seine ganze
Kleidung vom Blute roth wurde. Zum Gedenken an diese That wurde
der rothe Mann in das Wappen von Rottenmann aufgenommen. Während
der Lindwurm in den Seen hauste, bewohnten die Drachen Felsenhöhlen, von
welchen sie sich in das Thal wälzten und gleich dem Lindwurme die
Gegend verheerten (Drachenhöhle hei Röthelstein).
Merkwürdige Thiere sind die Bergstutzen; sie sollen aussehen wie
eine kurze dicke Schlange mit vier Füßen und Katzenkopf. Am Wege
liegend gleichen sie einem Baumstamm, so dass man sie erst erblickt,
wenn es zu spät ist, sich zu flüchten, denn sie fahren den Menschen
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918