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230 Bruck.
von schwindelnder Höhe herabstürzte und unversehrt hier anlangte. Eine
wundergläubige Zeit sah hierin einen Wink Gottes zur Erbauung eines
Wallfahrtskirchleins, und bald sehen wir, geschützt von einer überhängenden
Felswand, einen frommen Einsiedler sich hier seine schlichte Klause zim-
mern, und daneben eine kleine Kapelle sich erheben. Als nun auch aus
einer kleinen Felsenmuschel ein frisches Wässerlein quoll, da war auch
der Name für das Schwalbennest in den Wänden gefunden : „Schüsserl-
brunn". Der fromme Klausner ist gestorben und hat keinen Nachfolger
gefunden, aber über dem Kapellchen ist in jüngster Zeit ein gar statt-
liches Kirchlein gezimmert worden, und da ist auch gerade noch so viel
Platz gehlieben, dass daneben sich ein ganz treifliches Wirtshaus ein-
nisten konnte, so dass für des Leibes und der Seele Wohl gleich gut
gesorgt ist. Und ein gar gastliches Willkomm wird uns hier von einem
jungen strebsamen Wirte, Georg Häusler aus der Breitenau, geboten, so
dass wir uns bald heimisch fühlen auf dem Adlerhorst in den Wänden;
10 reinliche gute Betten, ä 25 kr. per Nacht, in zwei Abteilungen, bieten
vorzügliches Nachtquartier, schmackhafte kalte und warme Küche (auch
Conserven), Sandwirth- und Farracher Bier, wie echt steirische Weiß- und
Schilcherweine, lassen uns bald das Mahl, das wir in der offenen Vor-
halle des Hauses genießen können, gut munden. Aber die Würze des
Mahles liegt doch in der wunderherrlichen Fernsicht, die sich von unserer
Felsenklippe aus erschließt. Über das zu unseren Füßen aus schauerlicher
Tiefe heraufleuchtende freundliche Breitenauer Thal schweift der Blick über
zahllose Höhen und Tiefen, bis zu dem stets von blauen Dunstschleiern
umwebten Schneeberge in Niederösterreich. Am Tage der Sonnenwende,
wenn von Berg zu Berg die Heidenfeuer lodern, da kommen die Scharen
der Wallfahrer zu dem Kirchlein in den Wänden und frommer Sang steigt
da auf in stiller Nacht himmelwärts zwischen den Felsenmauern und wieder
so am 2., 25. und 26. Juli. Zuverlässig von unserem Wirte am frühen
Morgen rechtzeitig geweckt, um den Sonnenaufgang am Lantsch nicht zu
versäumen, steigen wir wieder zum oberen Wirtshause hinauf und folgen
nun, unter Beachtung der rothen Markierung, dem Grate des Lantsch und
erreichen auf dem vom Wirte G. Häusler mit großer Mühe mitten durch
Krummholzregion gebahnten Weg, über mehrere Senkungen und Hebungen
in einer starken Stunde von Schüsserlbrunn, den Gipfel des Hochlantsch.
Aussicht: Die Grenzen der als eines der schönsten Panoramen Steier-
marks bekannten Fernsicht sind: S. Zug des Bacher; sw. Velka Kappa, Ursula-
berg und die den Koralpenzug überragenden Felsenzinnen der Oistritza, Grintouz
und Obir; w. der Größing und Speikkogel, Eisenhut, die Hoch alpenspitze (3340 m),
Ankogel (3252 m), dann der ganze zackige Zug der Tauern, vom Seckauer Zinken
bis zum Bösenstein; nw, der imposant aufstrebende Reiting und weiterhin die
zackigen Schroffen des Reichenstein, des Treanchtiing und über dem Rennfeid der
Brandstein und Ebenstem; n.: hier bildet der lange, in furchtbaren Wän-
den abstürzende Zug der Hochschwabkette die Grenze des Hori-
zontes und zugleich den Glanzpunkt des ganzen Panoramas; es
folgen in langen Intervallen die Hohe Veitsch, der Ötscher, die Schneealpe, die
Rax und der Schneeberg; n.-ö. der Sonnwendstein, die Pretulalpe, Stuhleck und
die beiden Pfaffen; ö. der lange Zug des Wechsels mit seinen ruhigen Wellen-
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918