Page - 235 - in Die eherne Mark - Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
Image of the Page - 235 -
Text of the Page - 235 -
235 Das Tragössthal.
Das von außen wenig ansehnliche Kirchlein ist von solider Bauart, wo-
von die schönen steinernen Thürportale Zeugnis geben. Das Kirchlein zeigt eine
dreischiffige Anlage u. zw. wurde wahrscheinlich um 1630 die einschiffige früh-
gothische Kirche durch Anbau von zwei Seitenschiffen erweitert. Das Mittelschiff
und der polygon abgeschlossene Chor zeigen noch durchwegs das kräftige Kreuz-
gewölbe der Frühgothik, während die Seitenschiffe Tonnengewölbe weisen. L vom
Hochaltar haben sich noch in einer Nische die gothische Statue des Kirchenpatrons
des heil. Nicolaus, und in den Fenstern des Chorschlusses Reste sehr schöner
figuraler alter Glasmalerei erhalten. Weiter beachtenswert: gothische Piscine in
der Sacristei, zwei reich gearbeitete eiserne Wandleuchter 1. vom Hochaltar
(Renaissance) und die Seitenaltäre im b. Schiffe von 1680, mit hübschen Spät-
renaissanceformen. Die Angabe, dass die Kirche 1490 erbaut worden wäre, steht
im Widerspruche mit dem Baucharakter.
Von Pichel wendet sich die Straße wieder dem Thalgrunde zu,
durchzieht die Ortschaft Großdorf, mit interessanten alten Gehöften und
steigt nun durch Wald mit reizenden Durchblicken zur L. auf die blau-
grüne Flut des Tragössbaches zu einer Häusergruppe mit Kapelle an, un-
weit welcher, im Waldesdunkei verborgen, die Reste von drei Säulen an
das hier früher bestandene Hochgericht erinnern. Auf dieser Höbe ange-
langt, liegt nun das herrliche Landschaftsbild des Tragössthales vollends
erschlossen vor uns. Blumige Wiesenmatten schmücken im reichsten Wechsel
mit wogenden Frucbtfeldern, die sich immer mehr weitende Niederung; darüber
zur R. knapp am Fuße des Gewändes der Messnerin, das schmucke Pfarr-
dörfchen Oberort-Tragöss, beherrscht von dem stattlichen Pfarrbofe und
der alten, hochragenden St. Magdalenenkirclie, und ringsum als majestä-
tischer Rahmen des friedlichen Bildes einer wunderlieblichen Dorfidylle,
schauerlich wildes Felsgehänge bis über 1000 m in senkrechten Wänden
aus den grünen Matten aufragend. — Und nun steigern sich mit jedem
Schritte vorwärts die merkwürdigen landschaftlichen Contraste, indem
in gleichem Maße, wie sich der Thalgrund zum sonnigen Fruchtland und
Wiesenboden ebnet und weitet, das Felsengewände, aus welchem die Priebitz-
mauer, alles beherrschend, am markantesten hervortrit, immer schroffer
und gewaltiger vor den Augen des Wanderers emporwächst, bis unmittel-
bar vor dem Dorfe, mit dem Blicke gegen W., auf den zwischen den
Schroffen der Griesmauer und Priebitz gleich einem gigantischen Felsblocke
aufragenden Heuschlagmauer, die landschaftliche Scenerie ihren Höhepunkt
erreicht.
G.: „Zur Post" (J. Völkl) 4 Z. mit 5 Betten, à 60 kr., sehr freund-
liches nettes Haus, Salon, Gartenhaus, Kegelbahn, Badekammer, kalte und
warme Bäder, gute Fahrgelegenheit. Die sehr gefällige Wirtin ist eine
gute Zitherspielerin und Natursängerin (Steirer- und Kärntnerlieder);
Franz Hölzl, vulgo Etschmaier, 10 Z. mit 26 Betten, à 60 kr., Garten,
Kegelbahn hübsches Haus; C. Söllner, 2 Z. mit 4 Betten à 60 kr., sehr
nette Wirtschaft.
Sommerwohnungen auch in dem herrlich gelegenen, jüngst
vollkommen restaurierten Pfarrhofe (Anfrage bei Herrn Pfarrer
M. Gelder).
Postamt mit täglicher (Sommer-)Fahrpostverbindung nach Bruck.
Zweispännige Fahrgelegenheiten bei den Gasthäusern: Nach Bruck 3 St.
5—7 ff.; Vordernberg 1% St. 6 fl.: in die Klamm oder in die Jassing V4 St. 3 fl.
Vereine: Feuerwehr, im Entstehen begriffen.
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918