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Neuberg. 257
eckigen Hofraum in einer Reihe hoher, spitzbogiger Fenster dreipfostig, mit
edelstem, rein geometrischem Maßwerke verziert. Kräftige Kreuzgewölbe über-
spannen die Hallen, tbeils auf schlanken Rundpfeilern, theils auf prächtigen Cou-
solen aufsitzend, die uns die ganze Symbolik der christlichen Kirche, das Einhorn
(Symbol der Keuschheit) mit der Jungfrau, den Löwen mit seinen Jungen, den
Phönix am Scheiterhaufen, den Pelikan mit seinen Jungen, den nach der Quelle
lechzenden Hirsch, sowie Odysseus und die Sirene, die Scylla und einen Schiffer
im Kahne etc. zur Darstellung bringen. Yon den Wänden schauen, in einer
langen Reihe tüchtiger lebensfrischer Ölgemälde venetianischer Schule, die Äbte,
welche in viereinhalb Jahrhunderten das Stift regierten, in voller Lebensgröße,
vielfach mit langen Bärten in ihrem weißen und schwarzen Habite, strenge auf
den Störer der Ruhe dieser geweihten Hallen, welche einst nur durch das
einförmige Gemurmel der in der Brunnenkapelle plätschernden Quelle unter-
brochen worden sein mag, herab. An der Südseite des Kreuzganges springt gegen
den Hof die reizend im Sechseck constrnierte gothische Brunnenkapelle aus,
ein prächtiger, zierlicher Bau von wunderbar poetischer Stimmung, in welchem
verloren aus einem
Brünnlein eine
Wasserquelle nie-
derrauscht. Hier
reinigten die Or-
densbrüder , vom
Felde oder Walde
nach harter Arbeit
kommend, die
Hände, bevor sie
durch die spitzbo-
gige Thüre, welche
noch ein got Iri-
sches Relief im
Bogenfelde zeigt,
das zweischiffige,
anstoßende Refec-
toriumbetraten.An
der Ostseite des
Kreuzganges liegt
der Capitelsaal,
je 11-30»» im Qua-
Brunnenkapelle des Kreuzganges zu Neuberg. Aus dem „Kirchcnschmuck".
Die Gruft der Stifter. Nach Aufhebung des Stiftes und Profanierung
der Stiftsräume kam die Bestimmung der Kapelle gänzlich in Vergessenheit und
Acte schlimmsten Vandalismus schändeten die geweihten Hallen. Der prächtige
Sarkophag verschwand, der Capitelsaal wurde als Holzkammer benützt, und was
nicht niet- und nagelfest war, entführt. Erst der Zufall ließ beim Suchen nach
einer passenden Marmorplatte als Zahltisch für die Gewerkschaft, die Gruft mit
den Leichen der Stifter, der Ahnen des österreichischen Kaiserhauses, wieder
entdecken. Man fand fünf Gerippe von drei männlichen (von ungewöhnlicher Größe)
und zwei weiblichen Körpern und die eingeleiteten Forschungen ergaben, dass
dies die Überreste des Stifters Otto, nebst den Gebeinen seiner zwei Gemahlinnen
und zweier seiner Söhne waren. Kaiser Franz ließ die Leichen in fünf Steinsärge
legen und die Gruft renovieren (1822).
Die feierliche neuerlicheBeisetzung der Überreste der Babenberger in die durch
die Munificenz Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef in ihrer jetzigen stilvollen
Gestalt wiederhergestellten Gruftkapelle fand jedoch erst am 21. März 1871 statt.
Im ersten Stockwerke lag der große, jetzt unbenützte Saal des Dormi-
toriums, welcher mit einer Treppe direct mit der Kirche verbunden war.
drate messend, von
welchem zwei herr-
liche gothische
Fenster gegen die
Kreuzganghalle
munden, während
sich gegen 0. eine
Kapelle mit poly-
gonem Chorschluss
öffnet. Vier schön
gegliederte Rund-
pfeiler tragen das
Gewölbe. Die Mitte
des Saales nimmt
eine gothische stei-
nerne Tumba ein,
vor der eine Stiege
in die Gruft hinab-
führt, in der die Fa-
milie des Stifters in
den J. 1340—1344
heigesetzt wurde.
Krauss, Die eherne Mark. 17
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918