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328 Maria - Zell.
geboren. Ihre hübsche Stimme veranlasste schon frühe den Lehrer und Organisten
Josef Wiederhofer, sie einigermaßen zur Kirchensängerin auszubilden. Am liebsten
sang sie aber immer die lustigen Steirerlieder und bald war es weit und breit
bekannt, dass man beim „wilden Mann" in Maria-Zell die schönsten Steirerlieder
hören könne. Und als eines Tages die Wiener Sangesbrüder Grün und Lambert,
wovon ersterer Gesangslehrer war, durch die Frein gegen Maria-Zell wanderten
und fragen, wo man einmal so ganz rechte und echte Steirerlieder hören könne,
da gab es allerwärts nur eine Auskunft: Beim Baumgartner in Maria-Zell. Abends
saßen denn auch die Wiener in traulicher Wirtsstube und lauschten der glocken-
hellen Stimme, mit welcher unsere Tini ihre steirischen Weisen ertönen ließ. Den
Beigen eröffnete das Lied: „A Dirndl geht um Holz im Wald." Die Lieder waren den
Wiener Sangesfreunden zu Herzen gedrungen und nun gab es keine Rulie und Rast,
bis die Tini nach langem Wiederstreben des Vaters nach Wien zu Grün in die
Gesangsschule gieng. Bald prüfte auch Rokitansky ihre Stimme mit dem Erfolge,
dass er meinte, „in dem Halserl stecken gar viele Ducaten". Im J. 1878 nahm die
Hofopernsängerin Dustmann Baumgartner ganz zu sich, um sie gegen Verrichtung
kleiner häuslicher Arbeiten vollends zur Künstlerin auszubilden. Nach einigen
glücklichen Versuchen in Concerten betrat Baumgartner 1882 als Elisabeth in
„Tannhäuser" die Bühne, und zwar keine geringere, wie jene des Deutschen
Hoftheaters zu Wiesbaden, um hier sogleich einen durchschlagenden Erfolg zu
erzielen. Tief getrübt wurde aber die Freude durch die telegraphisch am Abende
der Vorstellung eingelangte Nachricht, dass der Vater im Sterben liege, welches
Telegramm ihr unmittelbar nach der Vorstellung eingehändigt wurde.
Seither bildet Baumgartner, welche auch mit Glück an der Wiener Hof-
oper gastierte, nach dem Ausspruche zahlreicher Referate den Stern der Wies-
badener Oper.
Die Schritte jedes Fremden lenken sich sogleich dem mäch-
tigen, weit in dasAlpenland schauenden Kirchenbaue zu, welcher
das Ziel von jährlich nahezu 100.000 Wallfahrern bildet.
Zur Baugeschichte der Kirche. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts er-
folgte bekanntlich die Erweiterung der ersten Kirche oder Kapelle von Maria-Zell
durch Ludwig I., und aller Wahrscheinlichkeit nach wurde schon damals der Gnaden-
altar in der Mitte der Kirche, beziehungsweise am Ende des Schiffes errichtet.
Auch der Brand von 1478 hat wahrscheinlich einen theilweisen Neubau der Kirche
zur Folge gehabt. Gewiss ist, dass im J. 1644, als das Stift St. Lambrecht,
welchem die Kirche seit jeher incorporiert ist, einen Umbau der Kirche beschloss,
dieselbe aus einem gothischen dreischiffigen Kirchenbau von sehr bedeutenden
Längendimensionen bestand.
Nach dem vom Conservator für Steiermark, Herrn Joh. Graus
in Graz, versuchten Reconstructionsplane der vom König Ludwig von Ungarn er-
bauten Kirche (des alten Kirchenbaues), war diese inclusive der Thurmhalle eine
dreischiffige Hallenkirche, bestehend aus sechs Gewölbjochen, deren Srhiffstheil,
jetzt 43 m lang, noch vollständig erhalten ist. Daran war, hinter der Gnaden-
kapelle anstoßend, gegen Osten ein langes Presbyterium mit eigenartigem, central-
förmigem Abschlüsse, der höchst selten, u. zw. in der Augustinerkirche in Wien
und in dem von ungarischen Wallfahrern im Mittelalter regelmäßig besuchten
Münster von Aachen vorkommt. Diesen Chortheil dazu gerechnet, hatte die alte
Kirche wahrscheinlichst eine Länge von 70 vi, zum Vergleiche der jetzigen
Volllänge von 84 m, 37 cm (265').*)
Dieser Umbau der dreischiffigen, gothischen Kirche fand in zwei durch
ein halbes Jahrhundert getrennte Bauperioden statt, deren eine um das J. 1644
begann, während die zweite gegen Ende des 17. Jahrhunderts fällt, und machte
dieser Umbau die Maria-Zeller Kirche zu einer der großartigsten
») Kaiser Ferdinand III. ermunterte den Abt Benedict mm Erweiterungsbaue der Kirche,
wobei er auch selbst kräftigst mithalf. Er wählte unter mehreren ihm vorgelegten Plänen denjenigen
aus, nach dem 1644 der Umbau begonnen wurde. In Ungarn war man über diese Veränderung des
Raues ihres Königs ungehalten. Die Arbeiten giengen nur langsam vorwärts und wurden namentlich
durch die Pest 1679 und die Türkenkriege unterbrochen.
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918