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Eisenerz. 423
wie eine Inschrift auf der Empore des Schiffes meldet, 151A, d. i. 1517, gänz-
lich vollendet.
Der Neubau der Kirche fällt somit in den Ausgang der Gothik und bildet
namentlich die zuletzt entstandene Westempore infolge ihrer reichen Durch-
führung vielleicht das charakteristischeste Beispiel der Entartung
der Gothik in Steiermark. Die wenig bedeutenden Dimensionen der von W.
nach 0. gerichteten Kirche sind 37 m lichte Länge, wovon ungefähr 17 m auf
den Chor und 20 m auf das Schiff entfallen, mit 12 15 m Gewölbspannung und
16-5 m Scheitelhöhe im Schiffe und etwas geringeren Dimensionen im Chore.
An der Nordseite des Schiffes lehnt sich vorerst der wuchtige Thurmbau,
an welchen sich eine Art kurzes Seitenschiff und zuletzt die Sakristei anschließen,
während sich an der Südseite des Chores noch ein Kapellenraum (Lorettokapelle)
anfügt. Prüft man näher den Stilcharakter der aus Bruchsteinen gemauerten, nach
außen durch Kalktuffquadern verkleideten Kirche, so zeigt es sich, dass nament-
lich der Chor in einer späteren Zeit der Gothik entstanden sein mass und
können wir hiefür die obenerwähnte Jahreszahl 1471 annehmen. Dem Chorhau
folgte wohl unmittelbar der Schiffsbau, während der seitenschiffartige Anbau
und der Thurmhau schon ins 16. Jahrhundert zu versetzen sein dürften, bis die
Herstellung der Musikempore an der Westseite den Bau abschloss. Aus dieser
Zeit haben sich uns die Namen der Werkmeister „Kristófén im Rad" dem
„Steinmetzen" und „Maister Wol fganng , Stainmetz", in Rechnungen von
1500 und 1504 erhalten.
Von den Kirchenpforten ist nun das Nordportal anstatt des anlässlich der
Taboranlage vermauerten Westportales als Haupteingang gedacht und dement-
sprechend reich ausgebildet. Es zeigt im Bogenfelde des Portales nach Innen
den Sündenfall des ersten Menschenpaares, auf der Außenseite aber die Ver-
treibung des Adam, welcher als Bergmann dargestellt ist, und der Eva aus dem
Paradiese, in Relief, sowie den doppelköpfigen Aar mit dem österreichischen
Hauswappen. An der Außenseite der Kirche fallen noch die verwitterten Strebe-
pfeiler durch ihren Schmuck von Fialen auf. Einige derselben zeigen noch wohler-
haltene Reste von Frescogemälden, wovon die wertvollsten die(circa 1525—1530
gemalten) Bildnisse der heil. Magdalena und des heil. Andreas an des Ostseite
des Chorschlusses darstellen. Schließlich wird dem Beschauer noch auffallen,
dass alle Gesimse, Laibungen und sonstige constructiven Glieder des Kirchenbaues
in Haustein ausgeführt sind, sowie am zweiten Geschosse an der Nordseite des
Thurmes ein männlicher und ein weiblicher steinerner Kopf, darstellend den Bau-
meister und Bauleiter Hans Haug und dessen Gattin, dessen Wirksamkeit als
kaiserlicher Amtmann und Forstmeister wir S. 88 geschildert haben.
Bevor wir uns mit dem Innern der Kirche beschäftigen, müssen wir noch
der Bedeutung der ganzen Kirchenanlage als Castell und Tabor gerecht werden.
Wir haben hier den interessantesten Tabor des Landes vor uns. Der
Kirchhof zeigt an jeder Ecke eine besondere Befestigung, so an der sö. Ecke die
einschiffige Johanniskapelle mit Karner und Brunnen nebenan, mit Schießlucken
bewehrt, an der sw. einen kräftigen Thurm, während der Zugang vom Markte,
welcher heute nur noch auf steiler Treppe erfolgen kann, an der nw. Ecke
insbesonders stark durch zwei mächtige, reichlich mit Pechnasen versehene Rund-
thürme vertheidigt wurde. Die diese Eckbauten verbindenden Ringmauern zeigen
Schießscharten und Spuren von Laufgängen für die Vertheidiger.
Der Tabor entstand in seiner heutigen Gestalt anlässlich der Turken-
gefahren 1532 unter der Bauleitung des Bürgers und Radmeisters Simon Grießer
und wurde infolge der vielen Knappenaufstände und Wirren der Glaubensspaltung
im 16. und 17. Jahrhunderte stets wehrhaft erhalten.
Die erste Befestigung der Kirche entstand schon 1482 auf Befehl Kaiser
Friedrichs HI. ; im J. 1529 wurde um die Kirche ein Laufgraben angelegt und
endlich 1532 der Tabor zu seiner heutigen Gestalt ausgebaut und der Brunnen
bei der Johanniskapelle hergestellt. Der Karner unterhalb der Johanniskapelle
bestand schon 1447, dürfte aber weit älter sein.
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918