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Die Radmer. 4 63
zu triften. Hier endlich wird das Holz sortiert: das Kohlholz geht hinaus
zur Kohlstätte im Krautgarten, das Nutzholz, wenn es ausgewachsen, nach
Mauthhausen, das Jungholz zur Papiererzeugung nach Wörgl.
Die Zeit dieser Holztrifte, der Schneeschmelze, ist die schlimmste
des Jahres, denn allerwärts stürzen die Lawinen zu Thale, namentlich von
den Hängen des Lugauers, und im J. 1849 begrub eines Sonntages eine
vom Lugauer niedergehende Windlawine eine Keusche, ein Weib und ein
Kind tödtend, während der Mann der Gefahr entgieng, weil, wie die Pfarr-
chronik meldet, er Sonntags fleiĂźig im Wirtshause zu sitzen pflegte.
An der Kirchhofmauer meldet ein gar schöner Grabstein, dass hier
rnhet in Gott: Anna Werchota, Rentmeistersgattin, geb. am 15. August 1824,
f am 11. April 1866. Herr, lasse sie ruhen in Frieden! Das war die
Gattin des letzten Rentmeisters in der Hinterradmer, im alten Schlosse
Greifenberg, und die Mutter der Volksdichterin Anna Werchota*),
in welcher jĂĽngst der Radmer eine so eigenartige Schilderin in der Sprache
des Volkes erstanden ist. „G'schicht'n aus n Grohn au ssa" nennt
sich das reizend ausgestattete, im Verlage „Leykam" erschienene Büchlein,
welches uns das ganze Leben und Weben einer abgeschiedenen Dorfgemeinde
vom Leben bis zum Sterben in farbenreichen, wahren Charakterbildern vor
Augen führt. Köhler, Holzleute, Waldbauern, Sennerinnen, Jäger nnd Wild-
schĂĽtzen, wie sie im Waldgraben mitsammen aufwachsen, ziehen an uns
vorĂĽber in knappen und scharf gezeichneten ZĂĽgen, voll unmittelbarer
Empfindung, in Lust und Liebe, in Schmerz nnd Leid, mit Sang und
Klang. Und dazwischen klingen ein paar lustige Vierzeilige, so frisch und
froh, dass man schier meint, am Tanzboden zu sein und das Stampfen
und Patschen der Burschen zu hören.
I liab na an Steira
Mit nokati Knia,
A herrischa Scbnagl,
Der gfollat ma nia.
Moch ma mein Herzerl froh,
Biiabal, geah sog ma s doh,
Mö druckst denn d Augia zua,
Wenn i Di bussn thua?
Hörst rean die Hirschla?
Hörst pfeifan die Rech?
Hörst s Jauzn von Büabal
Durt her über d Hoch? —
Und zuletzt lässt die Dichterin einen alten Holzknecht oder die
Ahndlmutter uralte Sagen erzählen, denen man immer lauschen möchte, so
sinnig und so schlicht schön sind sie erzählt. So gibt das Büchlein
einen wundersamen Blick in das innerste Leben der armen
*) Anna Werchota wurde am 15. August 1853 zu Kaisersberg im Murthale
geboren und werden wir im II. Bande des Werkes eine biographische Skizze
derselben bringen.
Krause, Die eherne Mark. 30
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 1
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 1
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.45 x 21.56 cm
- Pages
- 496
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918