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152 UnterthaL
Wir übersetzen nun den Thalbach, durchqueren hierauf die Niederung, um sodann
an der östlichen Thallehne zum letzten Bauerngehöfte des Thaies, Thetter, wieder
anzusteigen. In wenigen Minuten ist die kleine Höhe erreicht, auf Avelcher ZAvei
stattliche Bauerngehöfte sich behaglich ausbreiten. Jenes zur Rechten ist das Ge-
höft des vulgo Thetter, Avelches durch seinen früheren Besitzer und durch seine
Schicksale unser Interesse in Anspruch nimmt. Thetter, ein sehr intelligenter, streb-
samer protestantischer Bauer, Avelclien Erzherzog Jobann seinerzeit mit einem Besuch
beehrte, hatte sich anfangs der ZAvanziger Jahre unseres Jahrhunderts in redlicher
Arbeit emporgebracht und genoss einen ausgedehnten Ruf als Bauernarzt. Sein
Gehöft galt als das reichste und schönste des Thaies. In der Nacht des Fasching-
dienstages 1823 loderten aber plötzlich die Flammen aus der gefüllten Scheune,
bald uniAVOgte den Thetter-Hof ein furchtbarer Feuerbrand und in Avenigen Stunden
Avar die Frucht jahrelanger Arbeit vernichtet. Ungebeugten Muthes schritt Thetter
jedoch alsbald zum Wiederaufbau des Hofes, und der Sylvesterabend des gleichen
Jahres fand die Hausgenossen im neuen Heim um den Hausvater geschart, in
Andacht und Gebet, voll Gottvertrauen in die Zukunft blickend. Während aber
so im Hause heilige Ruhe herrschte, nahte sich abermals der A7erruchte Brandstifter
der Stätte des Friedens und des Fleißes, und in den ersten Morgenstunden des
neuen Jahres sank der Thetter-Hof abermals in Asche. Aber auch dieser Schlag
konnte den Muth des Bauern nicht erschüttern und mit Hilfe seiner Glaubens-
genossen konnte Thetter bald zum drittenmale den stattlichen Hof aus seinen
Trümmern erheben.
Vom Thetter senkt sich der Weg zu den Wiesengründen, die das Bett eines
früher hier bestandenen Sees, „Thetter-Sees", bedecken, Avelcher bei dem Versuche
seiner Ableitung plötzlich ausbrach und mit seiner gewaltigen Wassermasse das
ganze Unterthal verheerte. Vom Thetter aufwärts nehmen die AViesen den Charakter
von Alpenmatten an und treten an Stelle der Bauerngehöfte die Lehen. Nach
einer starken Stunde erreicht man die Aveiße AArand und damit eine große Gruppe
von Sennhütten am Fuße eines Trümmerfeldes mit anspruchslosem Wirtshause.
Hier halten wir in der reinlichen, netten Stube einer Sennhütte Einkehr, um mit
frischer Butter und Milch nach Alpensitte vorliebzunehmen.
Von den Hütten übersetzen Avir ein Bächlein und erreichen alsbald wieder
den HauptAveg des Unterthaies, und auf diesem nach 20 Min. ein Gatter, bei
Avelcliem, der zum Rissach-See führende Fahrweg abzweigt. Diesen jedoch vorläufig
1. liegen lassend, folgen Avir dem HauptAvege weiter; 10 Min. später dringt aus
dem Walde der gewaltige Donner des Rissach falle s, des größten Wasser-
falles Obersteiermarks an unser Ohr, und jenseits der Brücke über prächtig
bemoostes Gestein den zAvischen dem Geäst hervorblitzenden fallenden Fluthen
zueilend, stehen Avir bald dicht an den tosenden AVässern.
Der herrliche Fall, für dessen Zugänglichmachung bisher noch gar nichts
geschehen ist, lässt sich leider nirgends ganz überblicken. Die mächtige Wasser-
masse macht sich zuerst durch den HochAvald, im starken Gefälle liinAvogend, Bahn,
um sodann einen mindestens 50 m hohen senkrechten Fall zu bilden, worauf
die schaumweißen AVogen wieder in rasendem Sturze über mächtige Felsblöcke
hinjagend dem Thale zueilen. Am genussreichsten ist der Anblick dieser ruhelos
hinjagenden AA7ässer mit ihren lockenden AA7irbeln vom Ufer, hingelagert • auf den
Aveichen Moosdecken der waldigen Niederung.
Folgen wir nun dem Alpenfahrwege Aveiter, so gelangen AArir in das Stein-
ri esentila 1, Avie die Fortsetzung des Unterthaies vom Rissachbache an genannt
wird. Alsbald beginnt der AVeg anzusteigen; zur Rechten blicken noch gar freundlich
die schmucken Prinz Coburg'schen Jagdhäuser herüber dann aber nimmt die Gegend
sogleich einen ungemein öden und wilden Charakter an. Durch ein riesiges Trümmer-
feld Avindet sich unser AA7eg mühsam hinan, um die schöne grüne Alpenmatte des
Lab er er Bodens zu geAvinnen. Auf diesem wasserreichen Almboden liins ehr eitend,
zeigt sich uns zum erstenmale der gigantische Bau des Hochgolling mit
seiner düsteren Nordwand majestätisch über seine Trabanten aufragend. Mehrfach
auf schmalen Stegen, in deren Mitte ein drehbarer Stock mit Querhölzern angebracht
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 2
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 2
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892-1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.1 x 20.37 cm
- Pages
- 613
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918