Page - 314 - in Die eherne Mark - Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 2
Image of the Page - 314 -
Text of the Page - 314 -
314 Knittelfeld.
Und wieder das 16. Jahrhundert hindurch und namentlich im J. 1586, wo
die Hochflut der lutherischen Lehre mit aller Macht hereinbrach, mögen die Raths-
wie die Wirtsstube laut von Rede und Gegenrede der erregten BĂĽrgerschaft
wiederhallt haben.
Jeremias Hornberger und Kaspar Kratzer, beide einer ehrsamen Landschaft
in Steyer wohlbestellte Prädicanten, hielten lutherische Predigten und fanden
namentlich in der Gräfin Esther von Hardegg den stärksten Rückhalt. Auch der
Stadtpfarrer Johann Putz, Doctor der Theologie, wandte sich 1590 ganz der
lutherischen Lehre zu und verließ seines Glaubens halber später sogar die Heimat. —
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts mag wohl nahezu die ganze BĂĽrgerschaft prote-
stantisch gewesen sein, aber als die am 23. und 24. März 1600 unter starker
Bedeckung eingelangte Gegenreformations-Commission die BĂĽrger vor die Wahl
stellte, zur katholischen Kirche zurĂĽckzukehren oder mit RĂĽcklassung des 10% igen
Abfahrtsgeldes auszuwandern, meldeten sich nur die Gräfin Hardegg und 4 Bürger
zur Auswanderung, während alle übrigen Bewohner wieder zum katholischen Glauben
rĂĽckkehrten.
An diese Epoche erinnert noch heute das Treppenhaus, welches den Auf-
gang vom Bahnhof in die Stadt vermittelt und allgemein die lutherische
Kanzel genannt wird.
Am 22. Mai 1664 brannte die halbe Stadt ah. In den J. 1705—1709 wurde
das vom Domprobste Paul Franz von Poiz und einigen BĂĽrgern gegrĂĽndete
Kapuzinerkloster sammt Kirche erbaut. Am 15. October 1742 verheerte ein groĂźer
Brand die Stadt, ebenso 1796.
Bald hierauf begannen die französischen Invasionen, und zwar erschienen
am 5. April 1797 die ersten französischen Truppen unter Massena in Knittelfeld,
wobei auĂźer der der Stadt auferlegten starken Contribution auch an den einzelnen
BĂĽrgern Erpressungen aller Art vorgenommen wurden. Massena folgte Bonaparte
und später die Division Angerau. Der Präliminarfriede von Leoben ddo. 18. April
befreite jedoch schon Ende April die Stadt von ihren BedrĂĽckern.
Im April 1799 marschierte das russische Hilfscorps unter Suwarow durch
Knittelfeld. Ende 1800 erfolgte die zweite Invasion durch die Division Montrichard,
die bis Ende März 1801 dauerte, aber wenig empfindlich war. Auch die dritte
Invasion berührte Knittelfeld, indem am 9. November 1805 eine französische Truppe
eine Recognoscierungsabtheilung von 200 Husaren gegen Knittelfeld entsendete. Am
nächsten Tage kamen 8 Escadronen Liechtensteinhusaren nach Knittelfeld und
streiften bis Kraubath. Trotz eines glĂĽcklichen Vorpostengefechtes zogen sich die
Ă–sterreicher in der Nacht nach Neumarkt zurĂĽck. Knittelfeld blieb nun vom 11. No-
vember 1805 bis Mitte Jänner 1806 von den Franzosen besetzt, welche nicht nur
die Stadt und Umgebung mit groĂźen Contributionen und Requisitionen belegten,
sondern sich auch Erpressungen aller Art schuldig machten. Namentlich die
Forderung von ganz riesigen Tafelgeldern der höheren Officiere empörte die Bürger.
Die letzte Invasion begann mit • dem Durchmarsche des französisch-italienischen
Armeecorps unter Eugen, Vicekönig von Italien und General Durutte, aller Wahr-
scheinlichkeit nach am 24. Mai 1809 gegen St. Michael. Die Durchmärsche der
französischen und österreichischen Truppen dauerten jedoch das ganze Jahr fort und
zogen erst anfangs Jänner 1810 die letzten französischen Truppen, die diesmal
gute Mannszucht gehalten hatten, von Knittelfeld ab.
Noch waren die schweren Wunden nicht geheilt, welche die vier feindlichen
Invasionen der Stadt geschlagen hatten, als furchtbare Brände, und zwar nament-
lich am 18. Juni 1818, wo die ganze Stadt ein Raub der Flammen wurde, neues
Elend ĂĽber Knittelfeld brachte. Am 9. Juni 1834 vernichtete abermals ein Brand
die Kirche und das Kloster der Kapuziner und am 26. Juli 1842 59 Häuser und
den Stadtpfarrhof, bei welchem Brande auch 7 Menschen das Leben verloren.
Die Eröffnung der Eisenbahn, welche Knittelfeld unmittelbar berührt
und mit den Centren des Reiches und des Landes in directe Verbindung
brachte, verschob jedoch mit einem Schlage die durch Jahrhunderte stabi-
lisierten Erwerbsverhältnisse des Murthaies zu Gunsten der Stadt. In
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 2
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 2
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892-1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.1 x 20.37 cm
- Pages
- 613
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918