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Niederwölz. 455
spielen abwechselnd unter Pöllersalven heilige Lieder, bis die Morgenglocke
ruft, worauf der anbrechende Tag mit einem feierlichen Alleluja begrüßt
wird. Sehr sinnig wird das Sonnenwendfest gefeiert, indem in dieser Nacht
das zahlreich auf den Bergeshöhen versammelte Volk dünne runde Brettchen,
welche glühend gemacht werden, mittelst eines Stockes in die Tiefe
schleudert, was einen zaubervollen Anblick bietet. Der gleiche Brauch findet
in der Nacht vom Charsamstag zum Ostersonntag statt. Zu Weihnachten
und am H. Dreikönigstage wird das ganze Haus mit Weihrauch und
Myrrhen ausgeräuchert unter abergläubischer Vorbedeutung.
Allgemein verbreitet ist auch der Trudenglaube. Gegen die Trud
hilft im Volksglauben ein Trudenmesser mit 9 Kreuzen. Gefürchtet wird die
Habergais, ein gespenstiges Thier mit großem ziegenbockartigem Kopfe,
Vogelleib und 3 Füßen, welches in Mondnächten den Hafer schwarz macht,
sich in der Nacht wie die Trud, den Schlafenden auf die Brust setzt
und einsame Wanderer in der Nacht verfolgt. Der Ruf des Tschafitl
(Tschuwidl), des Todtenvogels (kleine Eule) und die gespenstige Flamme
Ohneveigel verkünden Unheil.
Handel und Indus t r i e . 10 Mtn. n. im Schöttelgraben ist das
altrenommierte S tah lwerk (Jahresproduction circa 15 Waggon Stahl) der
Mayerhofer'schen Erben mit interessanten großen Kohlenmeilern. Holz-
i n d u s t r i e (Brettersägen Consum circa 10.000 Stück Sagbloche), Ausfuhr
von Rindvieh (scheckige Bergrace) nach Oberösterreich und Baiern, ebenso
von Käse nach Tirol und Speik nach dem Orient. Aus den Moos-,
Himbeeren, Schwarzbeeren, Hollunder, Wachholder und der Enzianwurzel
werden Schnäpse erzeugt, Export von Harz in Fässern, welches im Sommer
die Pechbohrer durch Anzapfen von Nadelholzbäumen gewinnen.
Oberwölz. Gemüthlicbes altes S täd tchen von 119 H. und 757 E.
(Gemeinde 378 H. und 2323 E.), auf 812 m Sh, Sitz eines k. k. Bezirks
gerichtes sammt Steueramt, der Bezirksvertretung und des Bezirksschul-
rathes, Domicil eines Doctors der Medicin, liegt im freundlichen breiten
Wölzerthal und wird von der auf schroff abstürzender Felsenmauer gegen
N/ sich erhebenden Burgveste Ro thenfe l s und gegen Sw. von dem aus den
Baumwipfeln der Thallehne aufragenden St. P o n g r a t z e n - Kirchlein
malerisch überragt.
Das gesellige Städtchen, welches mit seinen altersbraunen Ring-
mauern, Thoren und Thürmen, an welchen der mächtige Schöttelbach vor-
überrauscht, noch ein interessantes altdeutsches Städtebild voll malerischer
Motive zeigt und bis vor wenigen Jahren ein behagliches Stilleben führte,
hat seit Gründung des Verschönerungsvereines 1884 und durch das emsige
Wirken desselben eine erfreuliche Wandlung erfahren, sich nach Innen
nach allen Seiten verschönert und in seinen sanitären und communalen Ein-
richtungen wesentlich verbessert. (Wasserleitung neu eingerichtet). Es ist
seither mit Erfolg bestrebt, in einem regen Fremdenverkehr Ersatz für
die versiegten Quellen des alten Wohlstandes zu suchen.
Historische Skizze. Schon im J. 1007, und zwar in der Schenkungs-
urkunde des deutschen Königs Heinrich II. ddo. Bamberg 10. Mai, womit er die
königl. Kammergüter Uueliza (Welz) und Lint a (Lind) seinem ehemaligen Kanzler
Die eherne Mark
Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Volume 2
- Title
- Die eherne Mark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch das steirische Oberland
- Volume
- 2
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- Leykam
- Location
- Graz
- Date
- 1892-1897
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.1 x 20.37 cm
- Pages
- 613
- Keywords
- Steiermark, Heimatkunde
- Categories
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918