Page - 87 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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auf Thalberg ein eigentümlicher Fluch des steten Besitzwechsels.
So waren die Neuberg, Rottal, Lindek, Hertenfels, Dörr, Krumbach,
Schitter, Unverzagt, Dietrichstein, Rauber, etc. längere oder kürzere
Zeit Besitzer des Schlosses. Unter den Dietrichstein hielt die lutherische
Lehre ihren Einzug in Thalberg, wo sich der Schlosscaplan sogar
verheiratete. Im Jahre 1587 verkauften die Bürger von Friedberg
ihr Landgericht sammt anderen vielen Rechten an Andreas Eberhard
Rauber auf Thalberg, wo es bis Mitte unseres Jahrhundertes verblieb.
Im Jahre 1610 kaufte der Jesuitenorden in Graz die Herrschaft
Thalberg, und damit kamen erst ruhige Zeiten für die alte Burgveste,
da erst mit der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 ein Besitzwechsel,
bei welchem Thalberg dem Staate zufiel, eintrat, 1810 kam Thalberg
in den Besitz des J. N. v. Erko und seit dieser Zeit wechseln wieder
stetig die Besitzer, welche sich meist an Yandalismus bei Vernichtung
dieser herrlichen, noch bis in den Fünfziger Jahren unseres
Jahr-hundertes
vollkommen bewohnten Ritterveste, die heute ein Bild
grau-envoller
Zerstörung zeigt, überboten.
Gegenwärtiger Besitzer: Graf Terlago.
Die auf einem circa 50 M. über der Strasse sich erhebenden
isolirten Hügel erbaute Burg bildet von Ost nach West ein
regel-mässiges
Rechteck von circa 90 M. Länge und 23 M. Breite und ist
von einer äusseren (jüngeren) und von einer inneren (älteren
Ring-mauer)
umzogen und an ihrem östlichen und westlichen Ende durch
je einen mächtigen Bergfried mit Eckverfestigungen und Quadern
geschützt. Der östliche schräg gestellte Bergfried von 24 M. Höhe
ist mit einem Thorbogen, durch welchen der von der unteren
Vor-burg
in die Hochburg führende Fahrweg zieht, mit der inneren
Ring-mauer
verbunden und charakterisiren sich diese zwei Thürme, mit
der inneren Ringmauer und dem Thorbogen mit ihrem ausgesprochen
romanischen Stilgepräge und Steinmetszeichen als älteste Burganlage.
Namentlich dieser Thorbogen und der damit verbundene Bergfried
sind heute nebst dem mächtigen Bergfried der Frauenburg bei
Unz-markt,
ein Zeitgenosse Ulrich von Lichtensteins, die einzigen
zweifel-losen
architektonischen Denkmale romanischer Profan - Architektur
Steiermarks, und verdienen daher das höchste Interesse jedes
Be-suchers.
Man beachte insbesondere den romanischen Thorbogen, das
gekuppelte romanische Fenster in der Wehrmauer und das schöne,
von zwei romanischen Säulen mit Ivnospencapitäl flankirte Pförtchen
im östlichen Bergfried, sowie die Steinmetzzeichen in den Quadern,
insbesonders aber das mächtige von vier kräftigen Rippen (die auf
prächtigen Consolen ruhen) getragene romanische Thurmgewölbe.
Der östliche Bergfried bildet ein Quadrat von 9-75 M. Seitenlänge
und hat im ersten Stockwerke 2-40 M. Mauerdicke; der westliche
bildet gleichfalls ein Quadrat von 9 M. Seitenlänge und 2 M.
Mauer-dicke.
Beide Thürme hatten drei Stockwerke. Betritt man durch das
romanische Portal den 50 M. langen Burghof, so erblickt man zuerst
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Title
- Die nordöstliche Steiermark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- -
- Location
- Graz
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.93 x 17.9 cm
- Pages
- 498
- Categories
- Geschichte Vor 1918