Page - 151 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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Die eine berichtet von einem Ritter im Schlosse am
Vocken-berg,
der nur eine Tochter hatte, und in beständiger Fehde mit.
einem seiner Nachbarn lebte. Einstmals, in stürmischer Nacht, zog
er mit all' seinen Reisigen aus, um seinen Gegner zu schädigen, nach
dem er vorher sein Töchterlein in ihrer Ivemnate sicher verschlossen
hatte. Aber auch sein Gegner war, von gleicher Absicht beseelt, in
dieser Nacht zur Burg seines Feindes geschlichen, und steckte
die-selbe
in Brand. Als nun schon die Flammen beim Fenster der Kemnate
hereinleuchteten, erwachte erst das Ritterfräulein. Vergebens rüttelte
sie an der mächtigen Thlire, nirgends Hilfe, nirgends Rettung! Da
plötzlich ersah sie ein starkes Hufeisen, sie erfasste es mit
neuem Lebensmuthe, und mit der Kraft der Verzweiflung sprengt
sie damit die Thiire. Ihr heimgekehrter Vater, über diese Rettung
tief ergriffen, gelobte den Bau einer Kirche und hing sodann
in derselben das Hufeisen am Altare auf, von wo es später an das
Seitenportal kam, wo es noch heute zu sehen ist. — Die zweite
Sage meldet: Ein reicher Säumer, der mit Getreide nach Obersteier
handelte, und Salz und Eisen herabführte, verlor bei Pöllau einen
Theil seiner Pferde mit reicher Ladung. Es lag ihm alles daran,
sie wieder zu finden, und da sein Suchen lange Zeit vergeblich war,
so machte er das Gelübde, an dem Orte, wo er seine Pferde treffen
würde, ein Gotteshaus zu bauen. Er fand sie wirklich, und löste
sein Gelübde durch die Erbauung der Kirche St Stephan. So wie allen
Sagen, dürfte auch diesen beiden ein historischer Kern innewohnen.
Für die erste spricht das Hufeisen, für die zweite ein sechsseitiges
Prisma von Stein (Salzstock), welches an der Fronte, der Kirche zu
sehen ist. Berücksichtigt man die beiden Bauperioden der Kirche,
so lassen sich ganz gut beide Sagen in Einklang bringen.
Bald erblickt man weithin leuchtend und strahlend die
riesige Kuppel der Pöllauer Stiftskirche, das Centrum des
Marktes, welchen wir in circa 13/4 Stunden von St. Stephan er-
reichen, markirend.
Kaindorf-Hartberg, 2 Stunden.
Die Strasse steigt sogleich ziemlich steil hinan durch
Wald zur Höhe (Gasthaus), hübsche Aussicht auf den Ring
und die imposant aufsteigende Ritterburg Neuberg, jenseits
wieder hinab in das Thal und über eine Hügelwelle durch
Wald in das kleine Thal des Löffelbaches, links am Bache
eine kleine vereinsamte Mühle, die Teufelsmühle genannt, in
der es oft um Mitternacht geistern soll; nun wieder hinan
durch Wald bis zur Vereinigung mit der Pöllau - Hartberger
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Title
- Die nordöstliche Steiermark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- -
- Location
- Graz
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.93 x 17.9 cm
- Pages
- 498
- Categories
- Geschichte Vor 1918