Page - 306 - in Die nordöstliche Steiermark - Eine Wanderung durch vergessene Lande
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sammelt sind. Die Weiber tragen bei den Leichenbegängnissen und
Todtenmahlzeiten einen blaugedruckten Kattunrock, schwarze Joppe
und schwarzseidenes Kopftuch.
Ein anderer Volksbrauch wird im Fasching gefeiert, das
Blockziehen, und zwar in jenen Jahren, wo in der Gemeinde im
Fasching keine Hochzeit stattfand. Das Blockziehen findet an einem
der letzten zwei Faschingstage statt; zu diesem Zwecke fällen einige
lustige Bauernburschen einen schlanken hochgewachsenen
Nadelholz-baum,
hacken alle Aeste ringsum ab und verkürzen das „Bloch" auf
6 — 8 Meter Länge. Nun wird ein zweirädriger Karren geholt, das
eine Ende des Bloches daran befestigt und am Stamme noch ein
mit allerlei Flitter geputztes Bäumchen aufgeputzt. Inzwischen haben
sich ein Gespann, die Musikanten, die Dorfjugend und allerlei lustiges
Volk in möglichst komischen Verkleidungen eingefunden und nun
beginnt unter Musikbegleitung und Hailoh der Dorfjugend das
eigentliche Blockziehen zum Dorfwirthsliause, wo der Wirtli die
Musikanten mit Gratiswein regalirt und seine grosse Freude über
die Einkehr der Blockzieher in seinem gastlichen Hause ausspricht.
Ein witziger Bursche, so komisch als möglich herausgeputzt, besteigt
nun einen Tisch und bietet den Block unter marktschreierischer
Anpreisung seiner seltenen Vorzüge feil, wobei selbstverständlich der
Besitzer des Waldes, aus welchem der Stamm geholt wurde, ein
Auge-zudrückt
oder sich mit einer geringen Summe abfinden lässt. Der
erzielte Erlös, weitmehr als der Werth des Stammes, fällt nun dem
Wirthe zu, welcher, so lange das Geld reicht, dafür Wein auftischt.
Ein Tanz beschliesst den alten Volksgebrauch, bei welchem schon
die Paare bestimmt werden, die sich nächstes Jahr verheiraten sollen,
denn das Blockziehen, ein Jahr ohne Hochzeit in der ganzen Gemeinde
bedeutend, gilt eigentlich als eine Schande für das Dorf.
Zur Zeit des heiligen Dreikönigsfestes kommt die
„Budl-muata"
Abends zu den Kindern. Sie ist gar wunderlich angezogen
und trägt einen Sack voll Nüsse und Aepfel mit sich. Auf ihr Pochen
öffnet die Bäuerin die Stubenthür, worauf sie eintritt mit frommem
Grusse und die Kinder Gebete aufsagen lässt. Waren die Kinder
folgsam, so wirft die Budlmuata einige Hände voll Nüsse und Aepfel
unter die Kinder.
Wie der Wechsel von dem gespenstigen Wechselmännchen
bewohnt wird, hat die südliche Gegend der nordöstlichen Steiermark
in dem Lutscherl oder Lutschi eine andere sagenhafte
Spuk-gestalt.
Das Lutscherl hat Gänsefiisse und ist von Gestalt gar wild,
dick und zottig. Unverbesserlichen Leuten, namentlich schlimmen
Kindern, schneidet es ein dreieckiges Stück Fleisch von der Ferse aus.
Die Lutschi soll einst unter den Menschen geweilt haben, hatte aber
von diesen, ihrer Ungestalt wegen, viel Unbilden zu erleiden, und
rächt sich nun dafür, indem sie Unheil anrichtet und Schaden bringt..
Die nordöstliche Steiermark
Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Title
- Die nordöstliche Steiermark
- Subtitle
- Eine Wanderung durch vergessene Lande
- Author
- Ferdinand Krauss
- Publisher
- -
- Location
- Graz
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.93 x 17.9 cm
- Pages
- 498
- Categories
- Geschichte Vor 1918