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Vater? Der gleiche Mann, der müde im Bett vergraben lag, wenn früher
Gregor zu einer Geschäftsreise ausgerückt war; der ihn an Abenden der
Heimkehr im Schlafrock im Lehnstuhl empfangen hatte; gar nicht recht
imstande war, aufzustehen, sondern zum Zeichen der Freude nur die Arme
gehoben hatte, und der bei den seltenen gemeinsamen Spaziergängen an ein
paar Sonntagen im Jahr und an den höchsten Feiertagen zwischen Gregor und
der Mutter, die schon an und für sich langsam gingen, immer noch ein wenig
langsamer, in seinen alten Mantel eingepackt, mit stets vorsichtig
aufgesetztem Krückstock sich vorwärts arbeitete und, wenn er etwas sagen
wollte, fast immer stillstand und seine Begleitung um sich versammelte?
Nun aber war er recht gut aufgerichtet; in eine straffe blaue Uniform mit
Goldknöpfen gekleidet, wie sie Diener der Bankinstitute tragen; über dem
hohen steifen Kragen des Rockes entwickelte sich sein starkes Doppelkinn;
unter den buschigen Augenbrauen drang der Blick der schwarzen Augen
frisch und aufmerksam hervor; das sonst zerzauste weiße Haar war zu einer
peinlich genauen, leuchtenden Scheitelfrisur niedergekämmt. Er warf seine
Mütze, auf der ein Goldmonogramm, wahrscheinlich das einer Bank,
angebracht war, über das ganze Zimmer im Bogen auf das Kanapee hin und
ging, die Enden seines langen Uniformrockes zurückgeschlagen, die Hände in
den Hosentaschen, mit vebissenem Gesicht auf Gregor zu.
Er wußte wohl selbst nicht, was er vor hatte; immerhin hob er die Füße
ungewöhnlich hoch, und Gregor staunte über die Riesengröße seiner
Stiefelsohlen. Doch hielt er sich dabei nicht auf, er wußte ja noch vom ersten
Tage seines neuen Lebens her, daß der Vater ihm gegenüber nur die größte
Strenge für angebracht ansah. Und so lief er vor dem Vater her, stockte, wenn
der Vater stehen blieb, und eilte schon wieder vorwärts, wenn sich der Vater
nur rührte. So machten sie mehrmals die Runde um das Zimmer, ohne daß
sich etwas Entscheidendes ereignete, ja ohne daß das Ganze infolge seines
langsamen Tempos den Anschein einer Verfolgung gehabt hätte. Deshalb
blieb auch Gregor vorläufig auf dem Fußboden, zumal er fürchtete, der Vater
könnte eine Flucht auf die Wände oder den Plafond für besondere Bosheit
halten. Allerdings mußte sich Gregor sagen, daß er sogar dieses Laufen nicht
lange aushalten würde, denn während der Vater einen Schritt machte, mußte
er eine Unzahl von Bewegungen ausführen. Atemnot begann sich schon
bemerkbar zu machen, wie er ja auch in seiner früheren Zeit keine ganz
vertrauenswürdige Lunge besessen hatte. Als er nun so dahintorkelte, um alle
Kräfte für den Lauf zu sammeln, kaum die Augen offenhielt; in seiner
Stumpfheit an eine andere Rettung als durch Laufen gar nicht dachte; und fast
schon vergessen hatte, daß ihm die Wände freistanden, die hier allerdings mit
sorgfältig geschnitzten Möbeln voll Zacken und Spitzen verstellt waren – da
flog knapp neben ihm, leicht geschleudert, irgend etwas nieder und rollte vor
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Die Verwandlung
- Title
- Die Verwandlung
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1912
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 54
- Keywords
- Erzählung, Schriftsteller, Ungeziefer, Käfer, Insekt
- Categories
- Weiteres Belletristik