Page - 49 - in Die Verwandlung
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seine Arbeit wieder. Er konnte das Schnaufen der Anstrengung nicht
unterdrücken und mußte auch hier und da ausruhen.
Im übrigen drängte ihn auch niemand, es war alles ihm selbst überlassen.
Als er die Umdrehung vollendet hatte, fing er sofort an, geradeaus
zurückzuwandern. E staunte über die große Entfernung, die ihn von seinem
Zimmer trennte, und begriff gar nicht, wie er bei seiner Schwäche vor kurze
Zeit den gleichen Weg, fast ohne es zu merken, zurückgelegt hatte. Immerfort
nur auf rasches Kriechen bedacht, achtete er kaum da auf, daß kein Wort, kein
Ausruf seiner Familie ihn störte.
Erst als er schon in der Tür war, wendete er den Kopf, nicht vollständig,
denn er fühlte den Hals steif werden, immerhin sah er noch, daß sich hinter
ihm nichts verändert hatte, nur die Schwester war aufgestanden. Sein letzter
Blick streifte die Mutter, die nun völlig eingeschlafen war.
Kaum war er innerhalb seines Zimmers, wurde die Tür eiligst zu gedrückt
festgeriegelt und versperrt. Über den plötzlichen Lärm hinter sich erschrak
Gregor so, daß ihm die Beinchen einknickten. Es war die Schwester, die sich
so beeilt hatte. Aufrecht war sie schon da gestanden und hatte gewartet,
leichtfüßig war sie dann vorwärtsgesprungen, Gregor hatte sie gar nicht
kommen hören, und ein »Endlich!« rief sie den Eltern zu, während sie den
Schlüssel im Schloß umdrehte.
»Und jetzt?« fragte sich Gregor und sah sich im Dunkeln um. Er machte
bald die Entdeckung, daß er sich nun überhaupt nicht mehr rühren konnte. Er
wunderte sich darüber nicht, eher kam es ihm unnatürlich vor, daß er sich bis
jetzt tatsächlich mit diesen dünnen Beinchen hatte fortbewegen können. Im
übrigen fühlte er sich verhältnismäßig behaglich. Er hatte zwar Schmerzen im
ganzen Leib, aber ihm war, als würden sie allmählich schwächer und
schwächer und würden schließlich ganz vergehen. Den verfaulten Apfel in
seinem Rücken und die entzündete Umgebung, die ganz von weichem Staub
bedeckt waren, spürte er schon kaum. An seine Familie dachte er mit
Rührung und Liebe zurück. Seine Meinung darüber, daß er verschwinden
müsse, war womöglich noch entschiedener, als die seiner Schwester. In
diesem Zustand leeren und friedlichen Nachdenkens blieb er, bis die Turmuhr
die dritte Morgenstunde schlug. Den Anfang des allgemeinen Hellerwerdens
draußen vor dem Fenster erlebte er noch. Dann sank sein Kopf ohne seinen
Willen gänzlich nieder, und aus seinen Nüstern strömte sein letzter Atem
schwach hervor.
Als am frühen Morgen die Bedienerin kam – vor lauter Kraft und Eile
schlug sie, wie oft man sie auch schon gebeten hatte, das zu vermeiden, alle
Türen derartig zu, daß in der ganzen Wohnung von ihrem Kommen an kein
ruhiger Schlaf mehr möglich war – , fand sie bei ihrem gewöhnlichen kurzen
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Die Verwandlung
- Title
- Die Verwandlung
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1912
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 54
- Keywords
- Erzählung, Schriftsteller, Ungeziefer, Käfer, Insekt
- Categories
- Weiteres Belletristik