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Besuch an Gregor zuerst nichts Besonderes. Sie dachte, er liege absichtlich so
unbeweglich da und spiele den Beleidigten; sie traute ihm allen möglichen
Verstand zu. Weil sie zufällig den langen Besen in der Hand hielt, suchte sie
mit ihm Gregor von der Tür aus zu kitzeln. Als sich auch da kein Erfolg
zeigte, wurde sie ärgerlich und stieß ein wenig in Gregor hinein, und erst als
sie ihn ohne jeden Widerstand von seinem Platze geschoben hatte, wurde sie
aufmerksam. Als sie bald den wahren Sachverhalt erkannte, machte sie große
Augen, pfiff vor sich hin, hielt sich aber nicht lange auf, sondern riß die Tür
des Schlafzimmers auf und rief mit lauter Stimme in das Dunkel hinein:
»Sehen Sie nur mal an, es ist krepiert; da liegt es, ganz und gar krepiert!«
Das Ehepaar Samsa saß im Ehebett aufrecht da und hatte zu tun, den
Schrecken über die Bedienerin zu verwinden, ehe es dazu kam, ihre Meldung
aufzufassen. Dann aber stiegen Herr und Frau Samsa, jeder auf seiner Seite,
eiligst aus dem Bett, Herr Samsa warf die Decke über seine Schultern, Frau
Samsa kam nur im Nachthemd hervor; so traten sie in Gregors Zimmer.
Inzwischen hatte sich auch die Tür des Wohnzimmers geöffnet, in dem Grete
seit dem Einzug der Zimmerherren schlief; sie war völlig angezogen, als hätte
sie gar nicht geschlafen, auch ihr bleiches Gesicht schien das zu beweisen.
»Tot?« sagte Frau Samsa und sah fragend zur Bedienerin auf, trotzdem sie
doch alles selbst prüfen und sogar ohne Prüfung erkennen konnte. »Das will
ich meinen«, sagte die Bedienerin und stieß zum Beweis Gregors Leiche mit
dem Besen noch ein großes Stück seitwärts. Frau Samsa machte eine
Bewegung, als wolle sie den Besen zurückhalten, tat es aber nicht. »Nun«,
sagte Herr Samsa, »jetzt können wir Gott danken.« Er bekreuzte sich, und die
drei Frauen folgten seinem Beispiel.
Grete, die kein Auge von der Leiche wendete, sagte: »Seht nur, wie mager
er war. Er hat ja auch schon so lange Zeit nichts gegessen. So wie die Speisen
hereinkamen, sind sie wieder hinausgekommen.« Tatsächlich war Gregors
Körper vollständig flach und trocken, man erkannte das eigentlich erst jetzt,
da er nicht mehr von den Beinchen gehoben war und auch sonst nichts den
Blick ablenkte.
»Komm, Grete, auf ein Weilchen zu uns herein«, sagte Frau Samsa mit
einem wehmütigen Lächeln, und Grete ging, nicht ohne nach der Leiche
zurückzusehen, hinter den Eltern in das Schlafzimmer. Die Bedienerin schloß
die Tür und öffnete gänzlich das Fenster. Trotz des frühen Morgens war der
frischen Luft schon etwas Lauigkeit beigemischt. Es war eben schon Ende
März.
Aus ihrem Zimmer traten die drei Zimmerherren und sahen sich erstaunt
nach ihrem Frühstück um; man hatte sie vergessen. »Wo ist das Frühstück?«
fragte der mittlere der Herren mürrisch die Bedienerin. Diese aber legte den
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Die Verwandlung
- Title
- Die Verwandlung
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1912
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 54
- Keywords
- Erzählung, Schriftsteller, Ungeziefer, Käfer, Insekt
- Categories
- Weiteres Belletristik