Page - 2 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
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							strömen v°» den Lippen, heiße Wünsche entringen sich der Grust und hochgemuthe Entschlüsse keimen in tausend
Herzen — in einer begnadeten Menschcnsecle aber werden sie zur Offenbarung.
Hm 18. Icbrunr 1868 um die Mittagstunde war das Leben Seiner kaiserlichen und k o n M M apostolischen Majestät
unseres nllergnädigsten Kaisers Nrnnz Joseph uon einer ruchlosen Hand bedroht worden «siehe Anhang I.); und noch
an demselben Tage um 0 Uhr Abends versammelte ein voni Mrstcrzbischos Vincenz Eduard Milde celcbrirtes feierliches
Tc Deuni die sämmtlichen Mitglieder des allerhöchsten Kaiserhauses, die Minister, den Rcichsrath, das diplomatische
Corps, die k. k. Generalität, die Chargen der k. k. Hofnmter und Garden, den Statthalter von Wederöstcrreich, die
Spitzen sänimtlicher Ober- und Vnterbchürden und deren Mitglieder, dann den Gürgcrmeister mit dem Gemcinderathe
und Magistrate der Haupt- und Residenzstadt Wien im altehrwürdigen Dome zu Hnnct Stephan. Eine dichtgedrängte
Volksmenge, welche unter dein überwältigenden Eindrucke des Geschehenen gleichfalls an der Ueierlichkcit theilnahm,
brach bei dem Erscheinen, wie bei der Entfernung der Mitglieder des allerhöchsten Kaiserhauses in laute, anhaltende
Zurufe aus. Nur eine Woche spater aber erließ der Grudcr unseres Monarchen, Seine kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste
Herr Erzherzog Icrdinnnd Mnr folgenden Aufruf:
E i n in Oesterreich neues Verbrechen ist geschehen. Eine Gefahr, vor deren bloßem Gedanken wir schaudern, ging
nahe an uns vorüber; nur durch ein besonders gnädiges Walten der Vorsehung ward es abgewendet. Den Mrcvcl möge
ewige Nacht bedecken; doch unsere Dankbarkeit und Ureude soll sich ein Denkmal gründen, welches bis in die fernste
Zukunft von ihr ein würdiges Zeugniß gebe. Ich halte es für das schönste Vorrecht meiner Lebensstellung, dafz in ihr
eine besondere Aufforderung liegt, bei Gcthätigung der Unterthanentreue und der Liebe, der Hingebung, der Gewunderung
für Seine Majestät überall der Erste zu sein, und spreche daher der Erste einen Gedanken aus, von welchem ich voraus-
setzen darf, daß ihn Viele als eine Verwirklichung von schon gehegten Wünschen begrüßen werden.
Zm Hause Gottes haben wir die Rettung Seiner Majestät gefeiert, und ein Gotteshaus wird das schönste Denkmal
sein, durch welches Oesterreichs Dankbarkeit und Ireude sich der Wett ankündigen kann. Ich wende mich daher an Alle,
welche mit mir den Wunsch theilen, daß die Gesinnung, welche uns erfüllt, eine großartige Gethätigung finde und dadurch
gleichsam die geistige Sühne des Verbrechens vollzogen werde, und lade sie ein, durch ihre Geiträge möglich zu machen,
daß zu Wien eine dem Zwecke entsprechende Kirche gebaut werde. Eine nähere Andeutung über den
Ort läßt in diesem Augenblicke des ersten Entwurfes sich noch nicht geben. Es ist zu wünschen, dafz diefes Gotteshaus
in> gothischen Stile errichtet werde, welcher ohne Zweifel am besten geeignet ist, dem Aufschwünge und Reichthume des
christlichen Gedankens durch die Gaukunst einen Ausdrnck zu geben. Dazu sind nun allerdings sehr bedeutende Summen
erforderlich. Aber das Kniserthum ist reich an Gesitzenden, welche sich niemals deni Anlasse entziehen, ihre Hiugcbuug
für Monarchen und Vaterland, sowie ihren Drang, für alles Würdige zu wirken, durch die That zu bewähren, und
deren richtiger Glick es nicht verkennt, dasz der Sieg über die Gewalten, welche in den Anthaten des 6.* und 18. Uebruar
ihre Natur und Richtung so grell abgeprägt haben, wie die sittliche Ordnung, so auch den Gcsitz gerettet hat. Auch minder
Wohlhabende werden ihre Gesinnung durch eine, wenn auch noch so geringe Gabe bethätigen. Daher kann ich mich der
Hoffnung überlassen, daß sich die Mittel finden werden, etwas der Vrüsze des Gegenstandes Entsprechendes hervorzurufen.
Indessen ist es sehr zu wünschen, daß Alle, welche ein Erinncrnngszcichen der glücklichen ErrMmg zu fördern beabsichtigen,
ihre Geiträge der Gauführung zuwenden. Mi t vereinten Kräften ist der Mahlspruch Seiner Majestät, nnd ohne
Vereinigung der Kräfte kann in keinem Gereiche etwas Gedeutendes geschaffen werden.
. Wien, den 27. Uebrunr 1633. Erzh. Uerdinand Mnr."
' Hm 0, Icbruar 1888 haue» in Mnünnd meuchlerische Angriffe nus «Miere m,d 5>oidn>en und ci„ Ueiiersnü der Hnupwnche
W a s unzählige Gemüther aufs Tiefste bewegte, in dem Genius des Jünglings, der dem Throne am nächsten stand,
hatte es Gestalt gewonnen. Sein Aufruf fand freudige» Widerhall in ganz Oesterreich nnd alsbald liefen aus allen Theilen
der Monarchie reiche Geiträgc an Geld nnd Geldcswerth für den neuen Kirchenban ein. Mehr als 800.000 Personen
					
				
						Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
							
				- Title
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Author
- Moriz Thausing
- Publisher
- Verlag von R. v. Waldheim
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 25.0 x 33.2 cm
- Pages
- 148
- Keywords
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Categories
- Geschichte Vor 1918