Page - 8 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
Image of the Page - 8 -
Text of the Page - 8 -
eingereiht, bedeutungsvotte Jeste werden gegründet, die Pyramide steigt empor, das Amphitheater verbreitet sich in
riesenhaften Räumen. Nie christliche» Völker, deren Gesichtskreis durch den ^nfblick zum Herrn erweitert ist, haben zu den
Denkmälern der großen Augenblicke ihres Lebens vorzugsweise den Tempel des Allerhöchsten gewühlt. Das Gotteshaus
des Katholiken ist der Vorhos des Himmels auf Erden. Das Kind der Kirche findet dort Hllcs verewiget, was für feine
berechtigten Wünsche in Zeit und Ewigkeit maßgebend ist: denn dort erneuert sich das hochheilige Versühnungsopscr, um
desfenwillcn jede gute Gabe uns verliehen und die Kraft gegeben wird, jedes schmerzliche Gcgebniß in ein Unterpfand
himmlischer Güter zu verwandeln; dort weilet in des Grotes Hülle der, welcher allmächtig zur Rechten des Unters sitzt
und ohne deffeu Wiltcu kein Haar von unserem Haupte fällt. Die Macht dieses christlichen Gedankens waltete in Seiner
kaiserlichen Hoheit dem Herrn Erzherzoge Jeroinaud Max, als im Ucbrunr 1853 der Heiland, von welchem alles Heil
kommt, eine Gefahr abwandte, welche Euerer Majestät, der Zukunft Oesterreichs und der Wiederherstellung Europas
galt. Wie der Tiger, welcher zum Tode schon getroffen liegt, sich unversehens aufrafft und mit letzter Kraft auf feinen
Veberwinder sich in wildem Sprunge wirft, so zuckte damals die schon bezwuugeue Wuth der Revolution plötzlich in Thaten
des Verderbens empör; das verrätherische Eisen eines Wüthenden bedrohte das Leben Euercr Majestät. Die feierlichen
Dankgebete Oesterreichs, welches zugleich mit Enerer Majestät war gerettet worden, erhoben sich noch zum Himmel, da
vereinigte auf die Einladung des durchlauchtigsten Erzherzogs das Kaiserthum sich zur Gründung eines Gotteshauses,
dessen mächtiger Gnu die Größe der göttlichen Huld und die Innigkeit unserer Dankbarkeit verkünde. Der Wetteifer der
Künstler ward ausgerufen, um eine des Gedankens würdige Uorm zu finden. Die Gnade Eucrer Majestät hat einen
entsprechenden Gnuplntz angewiesen. I.llcs ist mm zu dem Werke bereit, welches den Rainen, vor dem alle Kniee sich
beugen im Himmel und aus Erden und unter der Erde, den Namen lesu Christi, des Heilandes, des Gnadcnbringers,
des Retters in jeder Noth verherrlichen soll; und um deu ersten Stein zu legen, ist uns der schönste Tag geworden. Der
Urühling ist zurückgekehrt auf die Erde, und zugleich mit den Glumen, welche ihre lichte Glüthe zu entfalten beginnen,
bringt er den Jahrestag der Vermählung Eucrer Majestät zurück. Dieses frohe Jest tritt diesmal in einen Kreis von
Ereignissen, welche es mit dem Widerscheine ihres Glanzes erhöhen. Die Vereinbarung, welche Euere Majestät mit dem
heiligen Stuhle geschloffen haben, ist ein Werk des Nricdens und der Erneuerung ini Gereiche der Gcistcrwclt. Die erhöhte
Thätigkeit der Kirche hat keine andere Aufgabe und kein anderes Ziel, als den Hufschwung des Geistes zu feiuem
höchsten Gute zu beflügeln. In dem Maße aber, als die Ankündigung Gottes lebendiger in das menschliche Herz
hineinleuchtet, gewinnt alles Hohe und Gute au Kraft und Schwung. V.m bei der Ausführung des Geschlossenen mit
jener Einmüthigkeit zu wirken, durch welche allein das Große gedeihen kann, haben die Gischüfe des Kaiserthums nach
dem Wunsche Euerer Majestät, mit welchem der des heiligen Stuhles zusammentraf, sich zu ücrathungen vereinigt; alle
Völker Oesterreichs stehen in den Vertretern ihrer heiligsten, Zeit und Ewigkeit verknüpfenden Interessen vor Eucrer
Majestät. Ruch tönen noch dic Neierklänge eines anderen Iriedcnswerkes nach. Icrn an Europas Rande wurde mit
gewaltigen Kräften ein Kampf geführt, welcher über Europas Zukunft gleich einer donnerschwangcrcn Wolke hing. Dem
entscheidenden Worte Euerer Majestät verdankt es Europa, daß die Grundlage für Ausgleichung der streitenden Interessen
gesunden und gesichert wurde. Huf dieser Grundlage vollzog sich dic Versöhnung, welche den Stimmen des irdischen
Donners Stillschweigen auferlegt und deu Äonuenblick des irdischen Iricdens wieder entschleiert. So hat unser Herr uud
Heiland gnädig RIles gefügt und vereint, um den ersten Stein des ihn: geweihten Hciligthums mit Ireudc und Hoffnung
zu umringen, und der Geginn eines Gaues, welcher bestimmt ist den Sieg über eine große Gefahr zu verewigen, wird
zu einer Uricdensseier des besiegelten Heiles. Oesterreich, schon vor einem Jahrtausend eine Gurg der Gesittung in Mitte
des wogenden Völkermccrs, dann die Schutzwchrc der Ehristenheit wider den Ansturm des Islams und der Hort der
Kirche in verworrenen Zeiten des Abfalls, hat von dem Herrn eine besondere Sendung erhalten und wird um ihretwillen
eines Schutzes gewürdigt, dessen Walten in jenem lahrc des Taumels wieder recht klar hervortrat und an Eucrer
Majestät sich bereits gnadcurcich verherrlicht hat. Wie in der Hcilandskirche, deren Gild vor unserer Seele steht, die reiche
Manigfaltigkcit des Schmuckes sich iu die Einheit eines Nomes auflösen soll, der himmelan ans unerschütterlichen Pfeilern
8
Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Title
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Author
- Moriz Thausing
- Publisher
- Verlag von R. v. Waldheim
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 25.0 x 33.2 cm
- Pages
- 148
- Keywords
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Categories
- Geschichte Vor 1918