Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Vor 1918
Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
Page - 10 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 10 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités

Image of the Page - 10 -

Image of the Page - 10 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités

Text of the Page - 10 -

am Cnge vorher erfolgt war, wurde dieselbe nun durch Seine Majestät den Kaiser allein vollzogen. Nie Darreichungen bei diesem Acte, wie bei dem Einlegen der Urkunde in die MctnIIröhrc und sammt der letzteren in die Höhlung des Grundsteines, sowie bei der Verrichtung des üblichen Hnmmerschlagcs geschahe» durch den durchlauchtigsten Üauherrn Erzherzog Ferdinand Mnr. In die Metnllrühre sind außer der Gründungsurkunde noch eingelegt worden: der Grundriß der Kirche, gezeichnet auf Pergament, zwei phologrnphische Abbildungen, die vordere und die Seitenansicht der Kirche darstellend, ebenfalls auf Pergament, ferner ein Goldstück zu vier Ducnteu, eines zu einem Ducntcn, ein Silberstück zu zwei Gulden, eines zu einem Gulden, ein Silbcrzwnnziger, endlich silberne und kupferne Scheidemünzen, je eine von jeder Sorte, Der Grundstein selbst stammt aus dem heiligen Lande, uud zwar aus jener Grotte im Thnlc Josnphnt bei Jerusalem, wo der Herr am Uornbcnde seiner Gefangennahme in Todesangst ringend die ewigen Worte gesprochen: „Unter, nicht mein, sondern dein Mille geschehe!" an den Kanten des weißen Steines steht darum in gothischer Schrift geschrieben: „wo Christi Herz brach, brach man mich." Nachdem Seine Majestät entblößten Hauptes diesem Grundsteine mit dem dreimaligen Schlage die weihe gegeben hatte, vollzogen alle Unterzeichner der Urkunde die gleiche Ecremonie, während der wiener Mnnncrgesangvcrein in dem Vortrage eines von seinem Ehormeister I. Hcrbeck componirten Psalmes der gehobenen Stimmung der versammelten Tausende Ausdruck verlieh. Die Veier schloß mit der Absingung eines Te Denm und mit der Icgenspendung des Pontificantcn. Dreiundzwnnzig Jahre sind seitdem verflossen. Die Uotivkirche ist vollendet. An demselben schönen Jahrestage, an welchem ihr Grundstein gelegt worden isl, soll sie heute unter Anrufung des Erlösers als Inlvatorkirchc geweiht werden, weil seine schützende Hand zu gefahrvoller Stunde über dem geheiligten Haupte des Monarchen gewaltet hat. Da werden aufs Neue die Gefühle lebendig, welche dieses Kunstwerk ins Leben gerufen haben, innige Dnnkgebcte für den, Oesterreich uud seinem Kaiser damals wie in der Folgezeit gewährten Schutz steigen wieder zum Himmel und vereinigen sich mit der freudigen Genugthuung an dem Gelingen eines schönen Werkes. Da muß in Aller Herzen auch die Erinnerung au Denjenigen wieder nuflcbcu, der jenen Gefühlen einst den ersten Ausdruck, der ihnen diesen Ausdruck und diese Gestalt verliehen hat, der jahrelang das werk liebevoll leitete, dem es aber nicht beschicdcn war, wie einst die Grund- steinlcgung, so nun auch die Einweihung seiner Uotivkirchc mit sterblichen Augen zu sehen. So geben wir ihm denn hier noch die letzte Ehre an einem werke, daran er sich die erste nicht hat nehmen lassen! ^ I s der Erzherzog Ferdinand Maximi l ian am 14. April 1LU4 für immer von Oesterreich Abschied nahm, hinterließ er uns ja in dem Oaue der Votiukirche das köstlichste Pfand seiner Liebe zu Kaiser und Unterland, und zugleich ein Denkmal des monarchischen Principes, für das er gehobenen Herzens in den Kampf zog, ohne noch zu ahnen, daß er zu einem Qlutzeugcn desselben auscrschen sei. In seinen Gusen hatte die ewige Macht ein Samenkorn gelegt von jener ülume, die nur schwer gedeiht auf sturmumtosten Gipfeln: von der QInmc der Dichtkunst. Dafür versagte sie ihm die rauhe Hand, die auch den spröden Stoff zwingt und gestaltet, den nüchternen Glick, der auch das Gewebe niedriger Selbstsucht in den verworrenen Ztrebungen der Menschen zu durchdringen vermag. Sein hoher Sinn adelte selbst das Gemeine durch, ein unverwüstliches Uertraucu in die besseren Regungen der Menschenbrust, und er bewahrte diese edle Gesinnung und die Zuversicht in die Sieghnftigkeit des Vuten auch auf martcruollen Pfaden. Vergleichbar jenem Könige der alten Sage, dem Alles unter seinen Händen zu Golde wird, schmückte er in einer poesielosen Zeit, was er nur immer berührte, aus den Schätzen seiner Phantasie; und so nahm er für eine Kaiserkrone hin, was dach nur eine Dornenkrone war. Nichts jedoch vermochte seinen Glauben an eine sittliche wcltordnung, an die Weisheit und Gerechtigkeit der göttlichen Vorsehung zu erschüttern. Ihren Zwecken zu dienen, setzte er sein Glück, seine Nuhe, sein Leben ein, getreu seinem Spruche: „üesser wirklicher Tod als todte Wirklichkeit", und wie er es einst in seinen jungen Jahren gesungen: „Zch mochte nicht im Thal verderben, Den letzten ülick beengt uon Iiuang: ^uf einem Ocrge mücht' ich sterben" — 10
back to the  book Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités"
Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
Title
Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
Author
Moriz Thausing
Publisher
Verlag von R. v. Waldheim
Location
Wien
Date
1879
Language
German
License
PD
Size
25.0 x 33.2 cm
Pages
148
Keywords
Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
Categories
Geschichte Vor 1918
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités