Page - 44 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
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Chores mit seinen manigfachen Durchblicken und Gichtwirknngen verdeckt und um alle Wirkung gebracht hätte. Iugleich
erforderte die Würde des Hauptobiectes in einem so monumentalen Qauc, daß das kostbarste Matcriale und die
sorgfältigste Kunsttcchnil^ daran geivendet werde. Demgemäß ist denn auch der Hochaltar der Votivkirche ein Kunstmerk
von ungemühnlichcr Pracht. Er strahlt von edelm Gestein und Mosaik, von Gold und Email; und die Combinirung
des Netnbles mit dem großen Üaldnchin oder Eiborimn bietet die reichste Ausgestaltung, deren der christliche Altar fähig
ist, ohne ein bloßes Dccorntionsbild zu merden. Der Altnrtisch linmi«!>) ist aus weißem Laaser Marmor errichtet.
Seine Vorderseite ist durch sechs Süulchcn aus gclbgewüllitem ägyptischen Alabaster gegliedert, welche die ftlatte stützen;
und die Nachen dazwischen sind mit Glasmofnik von A. Nenhanser in Innsbruck eingelegt, das Ganze eine Art
steinernes Antipendium.
Der Altarnusfntz <^w!>utuiii) ruht auf einem üascment von demselben ägyptischen Marmor und ist ganz in
gutvcrgoldctcr Qronzc ausgeführt von ürir und Inders, mit farbigen Emnilbildern und Verzierungen <in
Grubenemail, ümnil elnuniil^v^) von I. Chadt. Qis zur Höhe der Cabernnkclthüre steigen glatte, nur grauirte
üronzeplatten auf, welche einen massiven Unterbau bilden. Nur die beiden Uelder unmittelbar neben dem Tabernakel
enthalten typologische Darstellungen in Email, wie alle anderen nach Zeichnungen von I. SequenZ, links Abraham
seinen Sohn Isaak opfernd und rechts der ägyptische loseph unter seinen Ürüdcrn seinen Traum erzählend. Die Thüre
des Tabernakels zeigt inmitten das Monogramm lesu und dessen seit Alters beliebte Sinnbilder: unten das Ostcrlamm
und oben an dem Sturz den Nisch in meißeln Email. In der Höhe des Klccbogens, mit welchem die Tabernakclthür
bekrönt ist, laust ein Uries mit acht cmaillirtcn Medaillons, von denen die beiden äußersten an den Schmalseiten des
Netablcs stehen. In den beiden mittleren ist links lesus als guter Hirte dargestellt, wie er das verirrte Lamm aus den
Dornen befreit, rechts Christus als Schmerzensmann sitzend und mit dem ülute aus seiner Seitcnwunde den Kelch füllend.
Hu beiden Seiten reihen sich dann die sechs anderen Rundbilder mit Märtyrern und Qckennern, sämmtlich sitzend und
nach vorne herausschauend dargestellt als die heiligen Vertreter der verschiedenen Stände, nach links hin: König Sigismund
von Qurgund, die Aebtissin Gertrudis, die Qüßcrin und Uranciscanernonne Margarethe von Cortonn, gegen rechts hin:
der Krieger Sebastian, die üäuerin Nothburgn und der Einsiedler Paulus. Ueber diesem Iriesc entwickelt sich ein reicher
Nischenbau. Nie Mittclnische ist leer und zur Aufnahme des Crucifires oder der Monstranz mit dem Hochwürdigstcn
bestimmt. Nur der sie abschließende KIcebogcn ist zum Theile eingeblendet und aus dein Nundbilde dieser Rückwand
erscheint in Email die Halbfigur des segnenden Gott Daters mit der Unterschrist: ttonitori ^mwciu« Iuu8 el iubilaUu.
Diese mittlere Nifche mit gekuppelten Säulen überragt die Seitennischen und endigt in einen ünldachinbau mit einem
Spitzthürmchen, vor welchem die als Stative noch ein Stück cmporgcsührtcn Stützen mit Engelfiguren gekrönt sind.
Von den sechs Seitcnnischen, je drei beiderseits, haben die zwei der Mitte zunnchststchenden auch gekuppelte Säulen, feste
Rückwände und Ückrünungen in Norm kleiner Dachreiter; sie enthalten gegen einander gekehrte anbetende Engel.
Die vier anderen, äußeren Nischen sind durchbrochen, ohne alle wände, ihre Wölbung und Verdachuug wird blos durch
einfache schlanke Nundsäulcn getragen. In diesen offenen Seitennischcn stehen vier Standbilder von Heiligen, ebcnsalls
aus vergoldeter üronze, und zwar einerseits die Namcnspntronc des Stifters und des Vollenders der Kirche: der Märtyrer
Marimilianus, Qischos von Lorch, und der Cardinal Erzbischof von Mailand Carl üorromäus; anderseits die zwei
Kirchenlehrer Abt Gernhnrd von Clairvnur und der gallische üischof Hilarius. Diese sämmtlichen Nischen sind mit
Kreuzgewölben bedeckt und zeigen an den Uronten Klecbögcn, Ipitzgicbel nnd Iialen, hinter denen dann ihre Giebeldächer
das gemeinsame, rautenförmig emnillirte Satteldach kreuzen. Alle Ornamente des Netnbles sind aus freier Hand getrieben.
Die Jigurcn sind von Joseph Gnsser modellirt. Crucifix und Altarlcuchter sind Arbeiten von Karl Haas.
Der ünldachin lcidunum), ein weites steinernes Schirmdach, welches sich über den ganzen Altar spannt, empfahl sich
nicht nur wegen des ehrwürdigen Alters seines kirchlichen Gebrauches und wegen seiner symbolischen Gcdeutung,
sondern auch aus formalen Gründen, um nämlich dem verhältnißmäßig wenig ausgedehnten Hauptnltare mehr
räumliche Wirkung und dadurch eine größere Bedeutsamkeit zu verleihen. Die Anwendung des Ciboriums im
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Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Title
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Author
- Moriz Thausing
- Publisher
- Verlag von R. v. Waldheim
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 25.0 x 33.2 cm
- Pages
- 148
- Keywords
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Categories
- Geschichte Vor 1918