Page - 48 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
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gearbeiteten Hauptfiguren. Die Sculpturcn des ürcnzaltares find sämmtlich von R. Zntauk. An dem-Frauenaltar
stammt die Hnuptgruppe von Joseph Vasscr, die Eiigelrcliefg neben dem Tabernakel von Wtterlechner.
I^ l i r mahlten für den Altar der Priuzencnpelle absichtlich und einem guten alten Sprachgebrauche gemäß den
Namen Fraucualtnr, weil die Votiukirche an ausgezeichneter Stelle noch einen zweiten der Mutter Gottes geweihten
Altar besitzt, nämlich den kleineren Mnr icual tar in der mittelstcn Chorcnpellc, mie denn der ganze Capellenkranz
vornehmlich der Verherrlichung Mariens gewidmet ist. Es empfiehlt sich daher mohl, gleich in der Qenennung die beiden,
ähnlichen Zwecken dienenden Altäre deutlich von einander zu unterscheiden. Der Aufbau dieses in der Hauptachse der
Kirche hinter dem Hochaltare liegenden Maricnnltnrcs ist dem der beiden Seitenaltäre im Guerhause ganz ähnlich, nur
ist die Ausstattung etwas bunter. Die Mensa erscheint mit einem Antipendium aus Mosaik geschmückt, das in drei
Pässen die Inschrift: „Ave ßratia piena- in gothischen Lettern trägt, und in den Altaraussatz sind zu beiden Seiten des
Tabernakels zwei Reliefs aus vergoldeter üronze eingelegt, darstellend die Verkündigung Maria und die Heimsuchung.
Vor dem Superfrontale über dem Tabernakel endlich fitzt eine thronende Madonna mit dem segnenden Christkinde,
überstiege« von Klecbogen und Spitzgiebel. Die Mndonncnfigur, so wie jene beiden Reliefs hat I. Gaffer modellirt.
Itloch ein fünfter Altar befindet sich in der Kirche, nämlich der Josephsaltar in der äußersten Chorcapelle aus
der rechten Seite des Vmganges. Dieser Altar ist dem heiligen Nährvater gewidmet und besteht aus ciuer einfachen
Mensa von weißem Stein mit einem ornnmentirtcn Cmnilmedaillon an der Vorderseite. Der Aussatz in Jorm der
Nügelaltärc ist aus Ccdernholz vom Libanon hergestellt. Der Altar wurde von folgenden Irauen Erzherzoginen des
österreichischen Kaiserhauses: Marin Theresia, Maria Antonia,AlirVroßherzogin von Toscana,MarinAntoinetta, Maria
Immaculata, Elisabeth, Isnbella, Maria Christina, Ciotilde, Maria und Adelgunde den Majestäten aus Anlas; der
silbernen Hochzeit gewidmet und enthalt als Hnuptdarstcllung in der Mitte des Schreines die Vermählung der Jungfrau
Maria mit dem heiligen Joseph, anf der Innenseite der Flügel den heiligen Franz und die heilige Elisabeth, auf der
Außenseite der Flügel die Verkündigung Mariens, in dem üaldachinban die Himmelsnmtter und Engel. Der
Altarfchrein ist geschnitzt von E. Mestreicher in Linz, die Figuren und Reliefs von F. Crler; die Malerei ist ausgeführt
von Nowak.
D i e Uotivkirche ist durch kaiserliche Schenkung seit October lä7ö auch im üefitze eines aus Holz geschnitzten alten
Altarsch rein es aus dem XV. Jahrhunderte, über dessen Verwendung derzeit noch keine Üestimmung getroffen ist. Der
Schrein befand fich ehemals in der Kirche ni Pfalzel bei Trier. Daselbst kaufte ihn Guido von Görres und brachte
ihn nach München. Dort erwarb der Wiener üildhauer Hans Gasser das Sculptunvcrk und verkaufte es im Jahre
18Z8 an Seine Majestät. Die unbeweglichen Scitenstücke dieses Altarschreines enthalten in rund herausgearbeiteten
Figuren einerseits die Krcuztragung und anderseits die Kreuzabnahme und die Geweinung des Leichnams Christi in eine
Darstellung vereinigt. Das unverlMnißmäßig schmale Mittelstück mit der Kreuzigung ist nicht von derselben Hand und
nicht von der gleichen Meisterschaft ivie jene. Auch der architektonische Aufban mit dem geraden Abschluß und die
Predella mit dem bayerischen Mappen sind später hinzugefügt.
D i e Kanzel befindet sich im Mittelschiffe links zwischen den Pfeilern der letzten Travee nächst der Uiernng und vor
dem Eingänge in die Tnufcnpelle. Sie ist vou Stein und folgt im Ganzen der Anordnung, welche die neuerwachende
italienische Kunst des XIII. Iahrhuudertes dem Predigtftuhlc gegeben hat, als unter dem mächtigen Einflüsse der Üettel-
orden das freigefprochene Wort in der Kirche wieder eine größere Gedeutung gewann. Es genügt ein Wort der
Erinnerung an die berühmten Kanzelbnuten von Nicola und Giovanni Pilano. Die Kanzel der Votivkirche hat die
Grundform eines Sechseckes, das von sechs Säulen ans ägyptischem Marmor und einer über denfelben aufsteigenden
Arcatur getragen wird. Fünf Seiten der Kamelbrüstung find mit den Grustbildern des lehrenden Christus nnd der vier
römischen Kirchenväter ausgestattet. Die Reliefs werde» von vertieften Medaillons eingerahmt, deren Gründe mit
Goldmosnik ausgelegt sind ^ eine Art von Verzierung, die, mit Farbenstiften gemischt, auch an den übrigen Theilen der
sonst weißen Kanzel maßvoll angewendet wnrde. Die sechste Seite der Kanzel öffnet sich dem ünyange von der Treppe,
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Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Title
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Author
- Moriz Thausing
- Publisher
- Verlag von R. v. Waldheim
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 25.0 x 33.2 cm
- Pages
- 148
- Keywords
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Categories
- Geschichte Vor 1918