Page - 56 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
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Gürgermeistern noch fortwähren!) und bis zur Vollendung des Gaues als Mitglied des Verwaltungsrathes. Als Referent
ward demfelben der Statthnltereirnth A. Rosmanit beigegeben, welcher seitdem alle einschlägigen Geschäfte besorgte und
als Vorstand dcs Prnsidialburenus der niederösterreichischen Stntthalterei auch schon zuvor das ganze umsnngreiche
Hammlungsgeschäft mit Erfolg durchgeführt hatte.
Wie Seele beider administrativer Instanzen, des Gaucomites und des Verwnltungsrnthes, obwohl blos Secretär des
ersteren und einfaches Mitglied des letzteren, war aber Pert Haler. Er verdankte diesen Einfluß seiner ungewöhnlichen
geistigen Gegnbung, seinem Eifer für die Sache, feiner geschäftlichen Gewandtheit und vor allem dem Vertrauen, dessen
er beim Erzherzog Uerdinnnd Max genoß. Wie mir nun immer über die Gethätigung dieses seines Einstuffes.im Einzelnen
urtheilen mögen, die Verdienste, welche er sich im Allgemeinen um das Unternehmen erworben hat, sollen damit nicht
verkürzt werden, und sein Name wird mit der Entstehungsgeschichte der Votivkirche immer aus'Z Innigste verknüpft
bleiben. Johann Perthnler, ein Tiroler, der Sohn eines Arztes, war geboren zu Mang im Pusterthale am ZI. October
1816. Er befuchte das Gymnasium zu Judenburg in Iteiermnrk und das zu Salzburg, dann die Universitäten Innsbruck
und Wien. An der letzteren beendete er das Studium der Rechte und erlangte im Jahre 1842 die juridische Doctorwürde.
Er wandte sich anfangs der Advocatcnprnris zu, war aber nebenbei in feinem Uache auch schriftstellerisch thätig. Seine
Neder namentlich verschaffte Perthnler im Jahre 1848 eine Gerufung in's Justizministerium als publicistischer Vertreter
der Negierung und den Eintritt in das Urnnksurter Parlament als Ersatzmann für den Wiener Deputirten Obersten
Nrnnz von Mayer». Uebernll und fortwährend vertrat er in sehr ausgeprägter Weise die großdeutschen und die
centralistischcn Anschauungen jener Tage. Nachdem er noch neben seiner publicistischen Thätigkeit im Ministerium bald
als Staatsanwalt, bald als Referent beim Wiener Landcsgericht Verwendung gefunden und zugleich die Aduocatenprüsung
abgelegt hatte, ward er auf Empfehlung des ihm befreundeten Nreiherrn von Prntobeuera Lehrer der Grüder Seiner
Majestät des Kaisers, und aus diesem Amte ist die besondere Vertrauensstellung abzuleiten, die er fortan beim Erzherzog
Uerdinand Mar einnahm. Als dieser die Stelle eines General-Vouverneurs von Lombnrdei-Venetien angetreten hatte,
berief er Perthaler im Sommer 1867 nach Mailand. Im April 1859 nach Wien zurückgekehrt, nahm hier Perthaler
an dem neuen Verfaffungsleben regen Antheil und leistete insbesondere dem Ministerium Schmerling, dessen Richtung mit
seinen politischen Ueberzeugungen ganz im Einklänge stand, die wichtigsten publicistischen Dienste. Da ereilte den erst
sechsundvierzigjährigen Mann der Tod am I I. März 18U2 inmitten einer vielseitigen Thätigkeit und unterbrach so
eine eben noch im Aufsteigen begriffene, allem Anscheine nach glänzende Laufbahn.
Mein geringer Theil von Perthaierg Thätigkeit war feit dem Jahre 1883 der Gründung und Ausführung der
Votivkirche gewidmet. Nicht als ob er sich, fei es durch künstlerische Anschauung oder Uebung, sei es durch theoretische
und kunstgeschichtliche Studien in ein inneres Verhältniß zu dem Gauwerke gefetzt hätte. Er zeigte stets wenig Verständniß
für die rein artistische Seite des Unternehmens. Ihn fesselte vielmehr die Idee, die geistige, die politische Gedeutung des
Werkes. In allen Dingen die rechte Hand des crzhcrzoglichen Stifters, hatte er auch diesen Lieblingsgedanken des
kunstsinnigen Prinzen zu seinem eigenen gemacht und nun verfolgte er denselben mit all der Geharrlichkeit und
zuweilen auch wohl mit jener eifernden Unnahbarkeit, welche plötzlich, jedoch nur äußerlich bekehrte Dilettanten öfter
kennzeichnet. AIs guter Jurist und Geamter glaubte er denn gleich anfangs den Gau nicht besser fördern zu können,
als durch ausführliche Satzungen, Vorfchriften und Guchsührungen. Zwar ging auch Perthaler, dem Geispiele Uerstels
folgend, nach Eöln, um sich bei dem bekannten Organisator der dortigen Gauhütte, Ernst Ariedrich Zwirner Rathes zu
erholen. Er vermochte aber schwerlich von dem dort Gehörten und Gesehenen die richtige Nutznnwendung auf unsere
Verhältnisse zu machen, denn er schöpfte daraus uur die Absicht, die neue Wiener Gauhütte ganz von Eöln aus zu
instruiren oder — wie er sich gerne ausdrückte — „ein Reis der berühmten Eölner Hütte in den Wiener Goden
zu verpflanzen."
Gerstel, der inzwischen seinen Plan für die Einrichtung der Wiener Gnuhütte ausgearbeitet hatte, war anderer Meinung:
ein allzu junges Reis hätte hier nicht Wurzel schlagen können, und diejenigen Männer, deren Gewinnung thatsächlich von
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Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Title
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Author
- Moriz Thausing
- Publisher
- Verlag von R. v. Waldheim
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 25.0 x 33.2 cm
- Pages
- 148
- Keywords
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Categories
- Geschichte Vor 1918