Page - 70 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
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ist ein Werk der Dankbarkeit, dem wir unsere Theilnahme widmen; um so weniger dürfen wir des erlauchten
Uürslen vergessen, der bei Gründung der Heilandskirche voranging und für Alles, was sie betraf, die regste Obsorge trug.
Der Erzherzog und Kaiser Verdinano Maximilian war eine edle, glänzende, liebenswürdige Erscheinung. Sein Geist war
dem Großen zugewandt und alles Gute und Schöne fand in seinem Herzen lebendigen Wiederklang. Ueber die Gemeinheit
des Eigennutzes, den wir auf weiten und engen Schauplätzen des Lebens so grell hervortreten sehen, ragte er in allen
seinen Geslrebungen empor und ein höherer Schwung gab sich in seinem ganzen Wirken kund. In der Glüthe der Jahre
unterlag er der Wuth von Ueindcn, welche durch uerjährte Zustände der Gesetzlosigkeit mit jedem Verbrechen waren
vertraut geworden. Er wählle jenseits des Weltmeeres eine neue Heimat, weil er die Ausgabe, dem großen Mezico
Gesetz, Nriedcn und echte Gesittung zu bringen, nicht zurückweisen wollte und für die ihm verpfändeten Zusagen nicht die
Winkelzüge fremder Politik, sondern die habsburgischc Treue zum Maßstabe nahm. Er starb, weil er seine Ehre nicht
beflecken, weil er kein in ihn gesetztes Vertrauen täuschen, weil er für das Volk, dessen Krane er angenommen hatte, das
Aeußerste wagen wollte. Sein Tod war ein Opfer, das er den sich auferlegten Wichten brachte. Dies wird eingezeichnet
bleiben bei Gott dem Vergcltcr und in der Geschichte leben, während die Grüßen, welche von augenblicklichen Erfolgen
zehren, mit dem Tage, der sie gebar, erlöschen. In der Heilnndskirchc hat der früh Geschiedene seiner Vaterstadt ein
Vermächtuiß hinterlassen und in seinem Sinne vollendet wird sie ein Denkmal und Spiegel des in ihm waltenden Geistes sein.
HlH,och eine andere Erinnerung bringt uns der Hochbau, desseu Seitenthürme nun des letzten Abschlusses gewärtig sind.
Um ihn möglich zu machen, haben alle Länder des Kniserthumes sich vereinigt. Wenn das Kreuz über seinem voltendeten
Giebel glänzet, möge die Einigkeit des Imsnmmcnwiikcns sich krastvolt erneuert haben; wenn die Glockcntöne von
dicfen Thürmen nicdcrwnllen, um den Nrieden Gottes zu verkünden, habe der Widerstreit der Wünsche und Ziele den
Uricden der Versöhnung schon gcfundeu und Oesterreich stehe in seiner alten Größe da!"
M,ach Beendigung dieser Ansprache wurde von Ncrstcl folgende, von Karl von Lützow verfaßte Urkunde verlesen,
welche bestimmt war, in den Knopf des linken Thurmes eingeschlossen zu werden:
„<Hm Jahre des Herrn Eintausend Achthundert Acht und Sechzig, am achtzehnten August, als am Tage der heiligen
Helena, der Krcuznusfinderin, und am achtunddreißigslcn Geburtsfeste des erhabenen Beherrschers dieses Reiches,
Uranz Joseph des Ersten, ward unter feierlichem Te Neum, gehalten von dem hochwürdigsten Herrn Joseph Othmar,
Cardinal und Uürsterzbischof von Wien, die goldene Hülle diefes Steines auf die Kreuzblume des Thurmes gehobcu: ein
weithin leuchtendes Zeichen frohen Dnnkgefühles der treuen Völker dieses Reiches für ihren weisen und gütigen Herrscher,
den die Hand des Allmächtigen aus ernster Gefahr einst gnädig errettet und durch schwere Drangsal glücklich
hindurch geführt hat.
^ , l s ein Denkmal siegreich überwundener Gedrängniß ragt auch dieser Gau zum Himmel empor: er, den nach dem
traurigen Ende feines heldcnmüthigen Gründers, weiland Kaiser Maximilian des Ersten von Mezico, treue Grudcrliebc
seines nunmehrigen üeschützcrs, des hochsinnigcn Herrn Erzherzogs Karl Ludwig und opferwilliger Vemcinsinn, von den
Gürgern dieser Stadt bekundet, zu solcher Höhe gefördert haben.
A n d so möge denn dieser Tag uns Gürge der freudige» Zuversicht fein, daß das zu Gottes Ehre begonnene Werk
unter des Höchsten fernerem Schutz und mit der Qcihilfe des ganzen zu neuer Qlüthe erstandenen Oesterreichs in weniger
Jahre Nrist ein gesegnetes Ende nehmen werde.
Urkund dessen solgen die Unterschristen."
Eine ähnliche zweite Urkunde, welche vornehmlich eine summarische Zusammenstellung der bis dahin erzielten Vauersolge
enthält, war für den Knopf des rechten Thurmes bestimmt. Ocide Urkunden waren bereits in den vorhergehenden
Tagen von den Würdenträgern des Staates und der Gemeinde, die letztgenannte auch von sämmtlichen am Gaue
Geschäftigten unterzeichnet worden. Nachdem nun noch der Cardinal, der Statthalter und der Gürgermeifter ihre
Unterschristen hinzugefügt hatten, wurden die beiden Urkunden in Zinncisiinder eingelegt, auf die Thürme aufgezogen,
dort hinterlegt und die vergoldeten Knnnfe dnraufgefctzt. Während dieses Vorganges sang der Chor eine Haydn'sche
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Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Title
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Author
- Moriz Thausing
- Publisher
- Verlag von R. v. Waldheim
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 25.0 x 33.2 cm
- Pages
- 148
- Keywords
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Categories
- Geschichte Vor 1918