Page - 78 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
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Modelle übernommen und dieselben dem österreichischen Museum behufs Vervielfältigung und Verbreitung in
verschiedenen Schulen zur Verfügung gestellt.
^ ,u f eine harte Probe ward die künstlerische Ueberzeugungstreue und die Geduld der Lauleitung noch in dem Kampfe
um die innere Ausstattung gestellt. Gei dem damaligen Stande des kunstgeschichtlichen Wissens im Allgemeinen hatte
wohl bei Geginn des Votivkirchenbaucs niemand, und nicht einmal der Architekt, eine positive Vorstellung von einer fo
vielumslrittenen und schwer zu ergründenden Sache, wie es die stilgerechte Inneneinrichtung einer gothischen Kirche ist.
Wie verworren darüber die Anschauungen im Publicum waren, zeigte eine Reihe von Spenden zur inneren Ausstattung
der zu erbauenden Kirche, welche gleich nach dem Aufrufe des erzherzoglichen Stifters im März und April 168Z — zum
Glück meist nur erst angeboten wurden. So erfreulich die eisrigeTheilnahme aller Gerufsclassen und namentlich der Künstler
und Vewerbsleute an einem gerade sie so nahe angehenden Unternehmen sein mußte, so hatte doch Eduard Mellu, in
seinem ersten damals veröffentlichten „gothischen Griefe" das Recht zu bemerken, daß „viele dieser Anerbietungen den
bedauerlichen Geweis liefern, wie wenig auch die schlichteste kunsthistorische Gildung, die Grundlage aller gesunden
künstlerischen Production, in den Kopsen selbst von Künstlern von Ruf, noch dazu Kunstlehrern, Platz gegriffen hat. Oder
wie anders soll man es bezeichnen, wenn Maler, deren ganze Richtung ebenso wie ihre Darstellungsweise und ihre
Technik moderner Auffassung, wenn auch in ausgezeichneter Weise, durch und durch angehört, sich zur Geschaffung von
Altarbildern in einer gothischen Kirche erbieten, nicht wissend oder total verkennend, daß, wie irgend, und mehr als
irgend ein Gaustil gerade die Gothik die consequenteste Einheit des Einzelnsten zum Ganzen, die strengste wechselseitige
Verhältnißmäßigkeit des gesummten Gauinhaltes gebieterisch fordere."
A.uch in den Kreisen des leitenden Comites wurde man dieser Erscheinung gegenüber sogleich bedenklich. Schon am
Z. April erschien in der Wiener Zeitung zur Aufklärung des Publicums ein von Dr. Perlhaler als Iecretär jenes
Comites gezeichneter Erlaß vom Z. März 188Z, in welchem angekündigt wurde, daß Seine kaiserliche Hoheit der
Erzherzog Uerdinand Max zur Prüfung der seinen Kirchenbau betreffenden artistischen Nragen aus Künstlern und sonstigen
Sachverständigen ein „Kunstcomite" berufen habe, und welcher unter anderen folgende klare Gestimmung enthält: „4. Um
den Einklang der inneren Ausschmückung und der gesummten Einrichtung der Kirche mit der Gauart derselben zu
stchern, können Widmungen von was immer für Arbeiten und Einrichtungsgegenständen für die Kirche vorläufig nur
mit dem Vorbehalte angenommen werden, daß seiner Zeit die Gauleitung zu entscheiden haben werde, unter welchen
Modalitäten dieselben benützt werden können."
Ao erleuchtet dieser allgemeine Augspruch war, so schmierig war es doch, sich denselben immer gegenwärtig zu halten
und in jedem besonderen Malle nach demselben Grundsätze zu verfahren. Einflüsse und Ueberzeugungen manigfacher Art
kreuzten sich und brachten es dahin, daß gerade in Gezug auf den Hauptgegenstand der inneren Einrichtung der Votiukirche,
nämlich in Gezug ausden Hochaltar, von diesem löblichen Grundsätze abgewichen wurde. Dasselbe Comite, welches noch vor
der Concursausschreibung den Einfluß der Gauleitung aus die innere Einrichtung der Kirche so richtig defimrt hatte, schloß
doch am 19. August 188? ohne Wissen des preisgekrönten Architekten einen bindenden Vertrag über die Herstellung des
Hochaltares mit einem Würzburger Gildhauer, Namens Andreas Halbig, welcher—wenigstens in München— als zu dieser
Gattung gothischer Sculptur für ganz besonders berufen angesehen wurde. Diesem vom Cardinal Nürsterzbischof von
Rauscher unterzeichneten und vom Erzherzog-Stifier genehmigten Vertrage zufolge verpflichtete sich Andreas Halbig, „den
fraglichen Altar genau nach der angeschlossenen Zeichnung aus ganz schönem Margarethensteine erster Classe, wie er auch zur
Restaurirung des St. Stephansdomes verwendet wird, anzufertigen;" er follte nach vier Jahren vollendet fein. „Die Ent-
fchädigung des Herrn Professors Halbig" ward aus die ansehnliche Summe von 70.000 Gulden E. M. festgesetzt. Er
siedelte nach Penzing bei Wien über, wo er den Auftrag ausführte und wo er auch begraben liegt. Jür seinen schon im Vertrage
vorgesehenen Todesfall war sein Gruder Professor Johann Halbig in München den Stipulationen desselben beigetreten.
Halbigs Hochaltar ist ein schlanker, thurmartiger Ausbau aus weißem Stein nach dem Muster jener spätgothischen
Weihbrotgehäuse, welche Adam Krafft am Ende des XV. Iahrhundertes in den Kirchen von Nürnberg bei 2t. Lorenz,
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Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Title
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Author
- Moriz Thausing
- Publisher
- Verlag von R. v. Waldheim
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 25.0 x 33.2 cm
- Pages
- 148
- Keywords
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Categories
- Geschichte Vor 1918