Page - 80 - in Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
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Oberbaurath von Jerstel und tagte unter dem Vorsitze des Statthalters Ireiherrn Conrad von Eybesfeld. Iührich entwarf
im Auftrage dieses Comites die Grundzüge für den Gildercyclus im Inneren der Arche. Unbekümmert aber um die
Meinungen dieses Geirathes faßte das hohe Gaucomite der Votivkirche am 2?. December 1874 den Qeschluß, „es dürfe in
der Votivkirche keine stolychromie stattfinden, und an deren Stelle sei eine einfache Verputzung und Ausgleichung der
Gewölbe, Pfeiler und Wände im Inneren der Kirche zu setzen." Eitclbcrger war gegen diese Auffassung und machte
geltend, daß unter Jachleuten wohl eine Meinungsverschiedenheit über das Maß und die Art der stolychromie bestehen
könne nicht aber über die Verwerflichkeit des selbst bei Inncndccorntion von ftrivaträumen nirgends mehr geduldeten
nackten Verputzes. Damit begnügte sich Citelbcrger nicht, vielmehr beeilte er sich, hohen und allerhöchsten Ortes
persönlich für die polychrome Ausstattung der Kirche einzutreten, ein Gemühen, welches von dem besten Erfolge
begleitet war.
Uier wären wir mit der Gaugeschichtc bereits in einer Zeit angelangt, wo die rein formale und bureaukratische
GeHandlung der Angelegenheiten überhaupt ihr Ende längst erreicht hatte, nämlich unter dem sirotectorate Seiner
kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Carl Ludwig. Die Einsetzung desselben durch allerhöchstes
Handschreiben vom 18. März 1872 (Anhang XII) gab dem Gaue einen neuen Gauherrn, dessen derselbe seit der
Abreise seines Stifters im lahre 1864 entbehrt hatte. Die Gehandlung der Geschäfte nahm nun wieder jenen
geraden, aus vertrauensvolles Entgegenkommen berechneten Weg, der in der ersten Zeit des Gaues und während der
Anwesenheit des Erzherzogs Uerdinnnd Mnr in Wien stets zum guten Ziele geführt hatte. Erzherzog Carl Ludwig hatte
schon als lüngling in den Vorbcrcitungsstndien des Gaues zuweilen den Grudcr vertreten und später begleitete er die
Weiterführung der Werkes mit immer steigender Theilnahme. Als vollends nach dem Hinscheiden des Stifters, welchem er
mit inniger, ja schwärmerischer Gruderliebe zugethan war, der Votivkirchenbau das einzige lebendige und des Schutzes
bedürftige Vermächtnis; bildete, das derselbe im Vaterlande zurückgelassen hatte, ward ihm die Jürsorge für das Werk zur
eigensten Herzenssache. Die Nebertragung des Vrotectorates über den Kirchenbau kam daher nur seinen heißen Wünschen
entgegen und er waltete des Amtes fortan mit einer alles Andere hintansetzenden Hingebung. Eifrige Unterstützung
fand Seine kaiserliche Hoheit bei dem Gaucomite, das schließlich von folgenden Würdenträgern gebildet wurde: vom
Cardinal Jürsterzbischof I. Kutschker, von den Ministern Dr. Itremayr, Ireiherrn de Pretis und Grafen Taasse, vom
Statthalter Ireiherrn Conrad von Eybesfeld, vom Gürgermeister Dr. v. Newald und vom Mreiherrn von Seiller, welcher
seit Keginn des Gaues auch neben und gleich seinen Nachfolgern Zelinka und Jelder stets ein verdienstvolles Mitglied
sowohl des Gaucomites wie des Vermaltungsrathes geblieben ist.
Nraf i des fo überaus wohlwollenden persönlichen Eingreifens des Erzherzog-Vrotcctors in alle Angelegenheiten und
mittelst seiner mächtigen Ursprache bei Seiner Majestät dem Kaiser fanden nun alle noch obschwcbenden Irngen rasch
ihre gedeihliche Läsung. Die Votivkirche wurde von der ihr so lange drohenden Verunstaltung durch den Hnlbig'schen
Altar befreit, indem der Protector ein allerhöchstes Handschreiben vom 28. April 1873 erwirkte, durch welches
der Altar der Augustinerkirche in Wien zugesprochen wurde, wo er auch aufgestellt ist und zu der sonstigen
Inneneinrichtung ganz wohl paßt. (Anhang XIII.) Die zur Vollendung der Kirche noch erforderlichen Geldmittel wurden
durch allerhöchste Entschließung von demselben Datum bewilligt durch Anweisung einer halben Million Gulden
aus dem Stadtermeiterungsfonde. Der umsichtige Vermalter dieses Iondcs, Icctionschef N. von Matzinger, übernahm
hiermit zugleich die Uürsorge für die Gaucasse. Darnach beläuft sich die Summe, welche die Herstellung des ganzen
Gaues sammt seiner Einrichtung gekostet haben wird, aus 4,035.616 Gulden. Eine tabellarische Zusammenstellung
der Eingänge und der Ausgaben nach den verschiedenen Rubriken im Anhange XIV gibt über die Verwendung der
Capitalien genaue Auskunft. Endlich fand auch die Irage der polychromen Ausstattung des Kircheninneren ihre
Erledigung im Sinne des Architekten und seiner Gerather. Der Erzherzog-Vrotector ging selbst in der Ipendung reicher
Geldmittel zu diesem Zwecke mit gutem Geispiele voran und ließ es sich angelegen sein, dalz dasselbe in allen Kreisen
Nachfolge fand. Insbesondere waren das lubiläum des fünfundzmanzigjährigen Negierungsantrittes Seiner Majestät
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Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Title
- Die Votivkirche in Wien - Denkschrift des Baucomités
- Author
- Moriz Thausing
- Publisher
- Verlag von R. v. Waldheim
- Location
- Wien
- Date
- 1879
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 25.0 x 33.2 cm
- Pages
- 148
- Keywords
- Kirche, Kunstgeschichte, Architektur
- Categories
- Geschichte Vor 1918