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ich gehofft, daß er zu mir kommen oder wenigstens
mir schreiben würde; es verging aber ein Tag um den
andern, ohne mir den erwarteten Besuch oder Brief
zu bringen.
„Ich begreife nicht, was Du hast, Martha," so
sprach mich eines Morgens Tante Marie, an; „Du
bist seit einiger Zeit so verstimmt, so zerstreut, so, ich
weiß nicht wie . . . Du hast sehr, sehr unrecht, daß
Du keinem Deiner Bewerber Gehör schenkst. Dieses
Alleinsein — das habe ich zu allem Anfang gesagt
— taugt nicht sür Dich. Die Folge davon ist dieser
Spleeen, der Dich jetzt auszeichnet. — Hast Du schon
Deine österliche Andacht verrichtet? Das würde Dir
auch gut thun."
„Ich denke, beides: heiraten und beichten, sollte
aus Liebe zur Sache gethan werden und nicht als
Splemkur. — Von meinen Bewerbern gefällt mir
keiner, und was das Beichten betrifft —"
„So ist es höchste Zeit: morgen ist Gründonners-
tag . . . Hast Du Billets zur Fußwaschung?"
»Ja — Papa hat mir welche verschafft — aber
ich weiß wirklich nicht, ob ich gehen werde."
„O das mußt Du — es gibt nichts Schöneres
und Erhebenderes, als diese Ceremonie . .. der Triumph
der christlichen Demut: Kaiser und Kaiserin auf dem
Boden rutschend, um die Füße armer Pfründner und
Pfründuerinnen zu waschen — symbolisiert das nicht
so recht, wie klein und nichtig die irdische Majestät
vor der göttlichen ist?"
„Um durch Niederknieen Demut sinnbildlich dar-
Die Waffen nieder!
Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner, Volume 1
- Title
- Die Waffen nieder!
- Subtitle
- Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner
- Volume
- 1
- Author
- Bertha von Suttner
- Publisher
- E. Pierson's Verlag
- Location
- Dresden und Leipzig
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.94 x 18.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Krieg, Frieden, Pazifismus, Nobelpreis
- Categories
- Biographien
- Weiteres Belletristik