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welche jener als Mensch und Denker hegte. Aber
während ich dem eben gehörten Ausfall gegenüber so
stumm dastand, daß mein Vater wohl glauben mochte,
er habe mich beschämt und meine Absichten im Keime
erstickt, fühlte ich mich doppelt sehnsüchtig zu dem ver-
kannten Manne hingezogen und in dem Entschluß be-
stärkt, die Seine zu werden. Ich war ja zum Glück
frei. Des Vaters Mißbilligung konnte mich allerdings
betrüben, allein mich von dem Zuge meines Herzens
zurückhalten, das konnte sie nicht. Und auch zu großer
Betrübnis war kein Naum in meiner Seele. Das
wunderbare, das mächtige Glück, welches in der letzten
Viertelstunde sich mir eröffnet hatte, war zu lebhaft,
um daneben den Verdruß aufkommen zu lassen.
Am folgenden Morgen erwachte ich mit einem
Gefühle, das dem glich, womit ich jedesmal als Kind
am Weihnachtstage und einmal als Braut an meinem
Vermählungsmorgen erwachte: dieselbe unaussprechliche
Erwartung, dasselbe erregte Bewußtsein, daß heute
Frohes, Großes bevorstünde. Einige Mißstimmung
brachte mir zwar die Erinnerung an die Worte, welche
Tags vorher mein Vater gesprochen — aber diesen Ge-
danken hatte ich schnell wieder verscheucht.
Es war noch nicht neun Uhr, als ich am Eingang
der Praterallee den Wagen verließ und mein mit dein
Reitknecht vorausgeschicktes Pferd bestieg. Das Wetter
war frühlingsduftend und mild — zwar sonnenlos,
Die Waffen nieder!
Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner, Volume 1
- Title
- Die Waffen nieder!
- Subtitle
- Eine Lebensgeschichte von Bertha von Suttner
- Volume
- 1
- Author
- Bertha von Suttner
- Publisher
- E. Pierson's Verlag
- Location
- Dresden und Leipzig
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 10.94 x 18.0 cm
- Pages
- 326
- Keywords
- Krieg, Frieden, Pazifismus, Nobelpreis
- Categories
- Biographien
- Weiteres Belletristik