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Das Museum: Ein Umriss | 33
abstraktes ›Abwesendes‹, dessen Beschaffenheit an anderer Stelle dieser Arbeit noch
näher zu erörtern sein wird.
Für die Tempel und die ihnen angeschlossenen Schatzhäuser des Vorderen Ori-
ents lässt sich ein gezieltes Sammeln von mit kultischer Relevanz versehenen Gegen-
ständen etwa bis zurück ins zweite Jahrtausend vor Christi Geburt belegen (Samida
2002: 5 5). Das hellenistische Museion band diese Tempelschätze zwar in ein erwei-
tertes Sinngefüge ein, in dem sich zur Religion nun die innerweltliche Gelehrsamkeit
gesellte, aber es veränderte weder ihre Zusammensetzung noch ihre Funktion. Damit
ist seine wichtigste Hinterlassenschaft an das moderne Museum wohl vor allem der
Begriff selbst, der sich in Laufe der Jahrhunderte zur ausdrücklichen Bezeichnung
für eine Einrichtung zur Präsentation kulturell bedeutsamer materieller Gegenstände
entwickeln sollte. Die Institution des Museions indes würde ihren Nachfolger in jener
der Universität finden.
1.1.2 Mittelalter und frühe Renaissance
Die Schätze der antiken Tempel sollten sich für das christliche Mittelalter als nur
begrenzt anschlussfähig erweisen. Die Kirche schuf sich ihre eigenen Kultgegen-
stände und hatte wenig Interesse an jenen, die schon anderen Göttern als jenem Ab-
rahams verschrieben waren. Die geheiligten Objekte des Altertums wurden überwie-
gend zu kulturellem Abfall. Wo einzelne antike Artefakte als bewahrenswert emp-
funden wurden und den Weg in die Schatzkammern des katholischen Klerus fanden,
verloren sie dabei ihre referentiellen Qualitäten. Das Mittelalter schätzte sie ob ihres
Materialwertes oder ihrer kunstreichen Ausführung, nicht jedoch als Zeugnisse einer
erinnerungswürdigen Vergangenheit. Sie verkamen zu ›Wundern‹ bzw. »Mirabi-
lien«, deren Attraktion in ihrer schieren Fremdartigkeit lag (vgl. Samida 2002: 5;
Pomian 2007: 56). Der größte Teil des Mittelalters erscheint damit als ein dunkler
Fleck in der Museumsgeschichte – und das Museum in der Rückschau als eine Insti-
tution, in deren Auftreten sich die Neuzeit ankündigt.
Indem der beginnende Humanismus des 14. Jahrhunderts die geistigen Hinterlas-
senschaften der antiken Philosophie und Literatur neu entdeckte, schuf er zugleich
den Kontext für eine Neubewertung des materiellen Erbes der vorchristlichen Ver-
gangenheit (vgl. Pomian 2007: 56). An den weltlichen Höfen Europas begann man
ebenso wie in den Schatzkammern der Kirche, gezielt entsprechende Objekte zu sam-
meln – ein Prozess, der (ebenso wie die Auseinandersetzung mit den antiken Spra-
chen) unkoordiniert ablief. Obwohl den gesammelten Dingen nun erstmals Zeugnis-
wert zugeschrieben wurde, fehlte noch das notwendige Instrumentarium, um an ihnen
tatsächlich etwas Bestimmtes über jene historischen Wirklichkeiten ablesen zu kön-
nen, deren Hinterlassenschaften sie waren. Mirabilien wurden von bloßen Kuriositä-
ten zu Statussymbolen, an die Stelle der Befremdung mit der Alterität historischer
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien