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46 | Dinge – Nutzer – Netze
sche Ding zunächst beschrieben werden, was üblicherweise bedeutet, seine Eigen-
schaften und Verhaltensweisen aufzulisten (vgl. ebd.: 29). Um es aus diesem Stadium
einer bloßen Auflistung von Eigenarten in das eines diskreten und benennbaren Phä-
nomens zu überführen, muss es anschließend in bestehende Wissenskontexte inte-
griert werden. Hier greifen nun gemäß Rheinberger (dessen wichtigster Bezugspunkt
die Synthese von Proteinen im Reagenzglas ist) die »Experimentalsysteme«. Diese
sind immer zugleich materiell-physikalische als auch diskursive Gefüge: Sie setzen
das Unbekannte ins Verhältnis zum Bekannten und machen es benennbar. Das ›Be-
kannte‹ sind in diesem Falle die technischen Apparatuen (z.B. Reagenzgläser, Test-
streifen, Mikroskope, usw.), ebenso wie die Verhaltensregeln und Gepflogenheiten
der Laborarbeit und die wissenschaftlichen Aussagesysteme, in welchen die aus der
Experimentaltätigkeit hervorgegangenen Beobachtungen schließlich gedeutet wer-
den. Damit ist im Labor also, ganz ähnlich wie im Museum, Wissen stets das Produkt
relativer Verhältnisse von Objekten und Sachverhalten. Experimentalsysteme ziehen
Grenzen um epistemische Dinge, die mit jeder Wiederholung des Versuchs enger und
präziser werden. Sie setzen sich dabei nach Rheinberger aus sog. »technischen Din-
gen« (ebd.) zusammen.
Technische Dinge sind im Gegensatz zu epistemischen begrifflich vergleichs-
weise eindeutig erfasst und wir haben eine konkrete Vorstellung davon, ›was‹ genau
sie sind. In Experimentalsystemen erfüllen sie eng definierte Funktionen unter weit-
gehendem Ausschluss von Nebeneffekten. Wissenschaftliche Wissensproduktion ist
in diesem Modell eine kontinuierliche Beobachtung und Aufzeichnung derjenigen
Verhaltensweisen, welche das epistemische Ding zeigt, wenn es mit den technischen
Dingen interagiert (vgl. ebd.). Diese Systematik erlaubt es der Wissenschaft, eine
›wilde Semiose‹ zu vermeiden und auch aus noch undefinierten Gegenständen einen
Wissensgewinn zu ziehen:
Technische Gegenstände haben mindestens die Zwecke zu erfüllen, für die sie gebaut worden
sind; sie sind in erster Linie Maschinen, die Antworten geben sollen. Ein epistemisches Objekt
hingegen ist in erster Linie eine Maschine, die Fragen aufwirft. (Ebd.: 33)
Mit seinem Plädoyer, das epistemische Ding zum Begriff der Museumswissenschaft
zu machen, stößt Korff auch die Idee an, das Museum als eine Form von ›Labor‹ zu
begreifen − mit Verweis auf Claude Lévi-Strauss, der das Museum als eine »Verlän-
gerung des Feldes« (Lévi-Strauss 2002: 402) verstand, dabei jedoch eher in Ausbil-
dung befindliche Archäologen und Ethnologen im Blick hatte als ein Laienpublikum
(vgl. ebd.: 402ff., vgl. Korff 2005: 91).
Indes scheint sich die Grenzziehung zwischen epistemischen und technischen
Dingen im Museum auf den ersten Blick weit schwieriger zu gestalten als im Labor.
Intuitiv fällt es zunächst nicht schwer, in einem beliebigen musealen Raum Dinge
eindeutig technischer Art zu identifizieren: Vitrinen und Schaukästen, Sockel und
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien