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1.3 RÄUME IM MUSEUM: PHYSIKALISCH, SEMANTISCH,
TRANSITIV
Ähnlich wie die Museumsdinge erscheint auch der die Exponate umgebende museale
Raum als ein Zwitterwesen zwischen konkreter Physikalität und abstrakter Diskursi-
vität. Im Raum besitzen die Museumsdinge Ort, Ausdehnung und Peripherie. Der
leere physikalische Raum etabliert einerseits die Trennung und Separiertheit der ein-
zelnen Objekte voneinander und ermöglicht es andererseits, sie als assoziativ-kontin-
gent verbunden zu erleben. Das Museum existiert dementsprechend gemeinsam mit
seinen Objekten zugleich auf der Ebene der konkreten Orte, an denen es sich mani-
festiert, und jener der abstrakten Nicht-Orte, auf die es in seiner Medialität verweist
(vgl. Schweibenz 2001: 1). Jedes individuelle physische Museum ist objektbezogen
und lokal gebunden. Es beruht auf einem bestimmten und begrenzten Fundus von
Exponaten und auf Infrastrukturen, die sein Bestehen ermöglichen ˗ ganz grundle-
gend z.B. dem Gebäude, in dem es untergebracht ist. Zugleich aber ist das Museum
auch ein diskursiver Ort und eine soziale Bezugsgröße, die allgegenwärtig ist und
über welche laufend kulturelle Inhalte verhandelt werden. Das einzelne physische
Museum ist starr, aber als Institution ist ›das Museum‹ eine fließende Erscheinung
(vgl. ebd., vgl. Wersig 1997).
1.3.1 Räume und Zeichen
Dieses ›Zwitterhafte‹ des Museums deutet bereits an, dass es sich beim Raum als
Entfaltungsmedium des Kulturellen – im Gegensatz zum Raum als physikalischer
Größe – um einen schwierigen Phänomenbereich handelt. Wie die Philosophin Bri-
gitte Scheer feststellt, gibt es in der menschlichen Erfahrungswirklichkeit keinen
›Raum‹ an sich. Der Raum sei vielmehr immer eine Abstraktion aus jenen Erschei-
nungen, die sich in ihm manifestieren (vgl. Scheer 2000: 234f.). In Relation zum
leeren, gegenstandslosen Raum kann sich ein wahrnehmender Betrachter nicht als
»unmittelbar bestimmt« (ebd.: 235) erfahren. Scheer verweist in diesem Zusammen-
hang auf die Leibnizsche Definition des Raumes als eine »Ordnung der Existenzen
im Beisammen, wie die Zeit eine Ordnung des Nacheinander ist« (Leibniz 1996: 93;
vgl. Löw 2000: 27) und auf Kants Feststellung, dass es sich beim Raum in erster
Linie um eine »Form der Anschauung« (Scheer 2000: 235, vgl. Kant 1995: 76ff.)
handle, welche das Erleben von Gegenständen erst ermöglicht. Er bedingt die Wahr-
nehmung, ohne selbst wahrnehmbar zu sein (vgl. ebd.) – und erscheint damit, so lässt
sich hinzufügen, als ein geradezu ideales Ur-Medium, dessen Vorhandensein man-
gels einer materiellen Basis völlig verschleiert ist und nur aus seinem Inhalt über-
haupt gefolgert werden kann.
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien