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54 | Dinge – Nutzer – Netze
Irreführend wird diese Analogie für Paul jedoch beim Aspekt der Verortung des Re-
zipienten. Denn während das Theater seinen Besucher statisch gegenüber der Bühne
platziert und ihn die Vorführung passiv erfahren lässt, lebt der Museumsraum von
der ihm eingeschriebenen Einladung zu seiner aktiven Erschließung. Ja mehr noch:
In einer Ausstellung sei es eben gerade erst der Rezipient, der die Dramaturgie durch
seine Bewegung im Raum entstehen lässt. Im Gegensatz zum Theaterzuschauer be-
stimmt der Museumsbesucher viele der Modalitäten seiner Auseinandersetzung mit
dem Dargebotenen selbst – so z.B. die Reihenfolge und das Tempo, in denen er sich
den Exponaten nähert. Tatsächlich erscheint Paul damit die Museumsausstellung als
fotografisches Negativ der Theatervorführung, weil es eben die ›Zuschauer‹ sind, die
sich bewegen, während die ›Darsteller‹ (in Form der Objekte) sitzen bleiben (vgl.
ebd.: 354f.). Daraus ergibt sich für ihn wiederum die Konsequenz, dass es ›den‹ mu-
sealen Raum gar nicht gibt. Vielmehr »bauen« (ebd.: 354) sich Rezipienten als men-
tale Architekten ihre ganz eigenen Erkenntnisräume aus den Bewegungspotentialen,
die das Museum ihnen erlaubt. Museen ›besucherorientiert‹ anzulegen, heißt also, als
Kurator einen Teil der Deutungshoheit über die Objekte an die Rezipienten abzutre-
ten und diese Abtretung durch eine möglichst offene Raumgestaltung zu kommuni-
zieren. Als Alternative nennt Paul dagegen die Logik des »schmalen Ganges« – also
die Begrenzung der möglichen Bedeutungsebenen der Objekte durch eine Einschrän-
kung der Bewegungsfreiheit des Besuchers (ebd.).
1.3.4 Kommunikationsstrukturen im Museum
Paul nennt nun drei Größen musealer Arbeit, welche konkret die Raumgestaltung
bestimmen. Bei der Ersten handelt es sich, ganz erwartungsgemäß, um die Dinge
selbst. Moderne Ausstellungspraxis ist es, bestimmte dominante »Leitobjekte« aus-
zuwählen und zentral zu präsentieren, während weniger prominent herausgestellte
Exponate sie umrahmen und kommentieren (vgl. ebd.: 351f.). Die zweite Größe ist
das Thema: Zeitgenössische historische Ausstellungen verwenden Objekte zweck-
orientiert. Sie sollen nicht bewundert oder bestaunt, sondern verstanden werden. So
entstehen »Themenräume«, die in erster Linie Geschichten erzählen (vgl. ebd.: 352).
Drittens und letztens führt Paul den aus medientheoretischer Perspektive etwas miss-
verständlichen Faktor der »Medialisierung« an. Natürlich ist streng genommen das
Museum insgesamt eine mediale Anordnung, die Bedeutungen an materielle Träger
knüpft. Paul, der ja aus der Sicht des Praktikers schreibt, meint hier speziell den Ein-
zug solcher medialer Formen in den musealen Raum, welche das Präsentationsgefüge
ergänzen, ohne selbst Museumsdinge zu sein – so z.B. Hör-, Film-, Tast- und Ge-
ruchsinstallationen oder computergestützte Infoterminals. Mit diesem Aspekt verbin-
det sich für Paul bei schlechter kuratorischer Handhabung zugleich das Risiko, dass
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien