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56 | Dinge – Nutzer – Netze
der »ideale Rezipient« (ebd.), der jedes Objekt und dessen Rolle in der Ausstellung
ohne weitere Erörterung verstehen könnte, in der Museumspraxis nicht auftaucht,
müssen die Dinge epistemisch unterfüttert werden. Sie sprechen, so Schmolke, nicht
»ohne Assistenz« (ebd.: 3) durch andere, inhaltlich eindeutiger bestimmte Kommu-
nikatoren. Die üblichste Form dieser Assistenz ist die Beschriftung der Exponate mit
erklärenden Tafeln (vgl. ebd.).
Diese Pluralität von Kommunikatoren, die ihre Botschaften mit variierender
Klarheit an den Besucher bringen und die Erschließung der Museumsdinge erst er-
möglichen, führt uns unweigerlich zurück zu Rheinbergers Experimentalsystemen.
Was Schmolke hier beschreibt ist ja eben die Schärfung der Bedeutungen epistemi-
scher Dinge durch ihre räumliche Einkreisung mithilfe technischer. Schmolke aller-
dings führt noch zwei Größen ein, die im musealen Raum immer mitkommunizieren
und die das Rheinbergersche Modell an die Grenzen seiner Anwendbarkeit auf das
Museum führen: nämlich die Besucher und die Kuratoren.
1.3.5 Standpunkte und Blickwinkel
Rheinberger ist zwar alles andere als blind für die Rolle des Experimentators als Sub-
jekt der Laborarbeit, er beschreibt die Wissensproduktion der Naturwissenschaften
aber in erste Linie von ihren Gegenständen ausgehend, die selbst keine Subjekte sind
und mit denen der Forscher wiederum subjektiviert umgehen muss. Museen bringen
im Gegensatz zu Experimentalanordnungen keine eindeutig reproduzierbaren Resul-
tate hervor. Welches ›Wissen‹ eine Ausstellung ihren Besuchern einflößt, lässt sich
nicht messen – tatsächlich darf man davon ausgehen, dass keine zwei verschiedenen
Personen nach dem Besuch ein und derselben Ausstellung exakt dasselbe gelernt ha-
ben werden. Für Museumsbesucher gelten im Gegensatz zu Naturwissenschaftlern
keine Verhaltens- und Diskursregeln, die ihren Wissenserwerb ordnen und verein-
heitlichen. Dasselbe physikalische Experiment wird unter Laborbedingungen auch
nach tausend Durchläufen noch dasselbe Ergebnis hervorbringen – aber dieselbe
Ausstellung stößt bei tausend unterschiedlichen Besuchern ebenso viele verschiedene
Effekte an.
Schmolke vergleicht das Museum daher mit einem »Rangierbahnhof von Kom-
munikation« (ebd.: 1). Seine Aufgabe sei es nicht vorrangig, konkretes Wissen zu
vermitteln – dieses ist für Schmolke als »Inhalt der Waggons« (ebd.: 2) ein Phänomen
zweiten Grades – sondern vielmehr, Kommunikationsprozesse anzustoßen. Muse-
umskommunikation wird dabei nicht mehr als einseitiges Phänomen begriffen. Viel-
mehr spricht auch das Publikum in und über Ausstellungen. Wenn Museumsbesucher
miteinander reden, dann diskutieren sie sowohl die von der gegenwärtigen Ausstel-
lung angebotenen Wissensinhalte, als auch ein »Meta-Wissen« (ebd.) über Ausstel-
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Dinge – Nutzer – Netze
Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Title
- Dinge – Nutzer – Netze
- Subtitle
- Von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen
- Author
- Dennis Niewerth
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4232-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 428
- Keywords
- Virtualität, Kulturerbe, Digitalisierung, Neue Medien, Kulturmanagement, Museumswissenschaft, Digitale Medien, Mediengeschichte
- Category
- Medien